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Bilder - Regierungswechsel zu Kohl und die deutsche Frage

Koalitionsinterne Auseinandersetzungen in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen und Flügelkämpfe innerhalb der SPD unterminierten anfangs der achtziger Jahre zusehends die sozialliberale Koalition unter der Führung von Bundeskanzler Helmut Schmidt. Als ein Vorreiter des Kurswechsels der FDP zu einer neoliberalen Wirtschaftspolitik agierte Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP), dessen Strategiepapier zur Überwindung wirtschaftlicher Probleme den Bruch der sozialliberalen Koalition besiegelte. Politische Kommentatoren waren sich einig, dass das Ende der SPD/FDP-Regierung überfällig war, doch bewerteten sie das Ausmaß der geforderten Veränderungen durchaus unterschiedlich. Der Wechsel der FDP zu einer CDU/CSU-geführten Regierung durch ein konstruktives Misstrauensvotum im September 1982 führte zu harten Zerreißproben innerhalb der FDP und Anschuldigungen des Koalitionsverrates.

In einer innenpolitisch polarisierten Atmosphäre versprach Helmut Kohl nicht nur wirtschaftliche Krisenbewältigung, sondern eine allgemeine Erneuerung der Politik. Schnell bürgerte sich das Wort von der „Wende“ ein, die einen Wechsel zum Neoliberalismus und einen konservativen Neuanfang auch in geistig-moralischer Sicht versprach. Im Rückblick fiel diese Wende jedoch weitaus weniger deutlich aus, als von manchen erhofft und von anderen befürchtet worden war. Kontinuität herrschte vor, auch wenn in vielen Bereichen, wie in der Wirtschafts- und Sozialpolitik (Kapitel 10) und in der Europapolitik (Kapitel 15) neue Akzente gesetzt wurden. In der Deutschland- und Ostpolitik setzte sich schnell eine Politik durch, die das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen und die nach wie vor offene deutsche Frage rhetorisch in den Vordergrund stellte. Inhaltlich jedoch wurde die von der sozialliberalen Koalition eingeleitete Politik der Zusammenarbeit zwischen beiden deutschen Staaten im Schatten einer erneuten Verschärfung des Konflikts zwischen den USA und der Sowjetunion fortgeführt. Die eskalierende Wirtschaftskrise der DDR bot die Gelegenheit, finanzielle Kredite mit der Forderung nach humanitären Erleichterungen zu verbinden, und Geld- und Transferleistungen im innerdeutschen Bereich wurden nach 1982 verstärkt ausgebaut. Davon profitierten augenscheinlich alle Seiten. Die Bundesrepublik erwirkte eine Reihe von Erleichterungen im Reise- und Besucherverkehr und die Zahl der Ausreisen aus der DDR stieg an (Kapitel 8). Die DDR wiederum konnte eine Aufwertung ihres internationalen Status verbuchen.

Viele Zeichen deuteten darauf hin, dass sich die Mehrheit der Bürger beider deutscher Staaten dennoch mit der Teilung arrangiert hatten und der Anspruch auf Wiedervereinigung zu einer Floskel degradiert war. Die unter Bundeskanzler Helmut Schmidt begonnene Besuchsdiplomatie zwischen dem Bundeskanzler und dem Generalsekretär der SED wurde fortgeführt und erlebte 1987 mit dem Besuch Erich Honeckers in der Bundesrepublik ihren Höhepunkt. Das Dilemma jeder westdeutschen Regierung, wie man die Beziehungen mit dem anderen deutschen Staat fördert und gleichzeitig an der Einheit der Nation festhält, war nie mehr offenkundig als in den Septembertagen 1987. Die SED verbuchte den Besuch Honeckers in der Bundesrepublik als Erfolg ihrer Politik und als Zeichen der Gleichberechtigung beider deutschen Staaten. Zeitgleich begann die SPD einen sicherheitspolitischen Dialog mit der SED. Viele SPD-Parteimitglieder distanzierten sich von dieser Entscheidung und angesichts des Reformunwillens der DDR-Regierung enttäuschte er auch deren Befürworter.

Zu einem Zeitpunkt, an dem Tendenzen der Binationalisierung ihren Höhepunkt erreichten, gerieten die kommunistischen Systeme Europas in Bewegung. Politische Reformen in der Sowjetunion, Polen und Ungarn setzten die DDR-Regierung in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre zunehmend unter Druck, den sie hartnäckig abzublocken suchte. Die durch die Gorbatschowschen Reformen intensivierte Ost-West-Diplomatie brachte das vergessen geglaubte Thema der Wiedervereinigung erneut auf die Tagesordnung. In der westdeutschen Bevölkerung nahm nach Jahren zunehmender Resignation die Zahl derer leicht zu, die eine Vereinigung in absehbarer Zeit für möglich hielten, während in der DDR oppositionelle Aktivitäten zunahmen (Kapitel 16). Unvermutet wurde die deutsche Frage daher wieder aktuell.

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