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Bilder - Die grüne Bewegung

Aufgrund einer allgemeinen Kritik an den Folgen der wirtschaftlichen Entwicklung sowie dem Erbe des Generationenkonflikts von 1968 entstand in der Bundesrepublik eine besonders starke Umweltbewegung. Die Denkschrift von siebzehn Wissenschaftlern über „die Grenzen des Wachstums“, die der Club of Rome initiiert hatte, fand in der Bundesrepublik großen Anklang, da das Umweltbewusstsein hier eine lange Tradition hatte und die Folgen der ökologischen Probleme in dem dicht besiedelten Land unmittelbar spürbar wurden. Der sozialdemokratische Vordenker Erhard Eppler meldete sich in der Kontroverse zu Wort und plädierte dafür, Lebensqualität über Wirtschaftswachstum zu stellen. Zur gleichen Zeit begannen die Bürger, die über die Rücksichtslosigkeit des technokratischen Planens empört waren, sich zu spontanen Protestaktionen zusammenzutun, um Widerstand gegen die Zerstörung ihrer Stadtviertel im Rahmen der so genannten „Stadterneuerung“ oder „Stadtverkehrsplanung“ zu leisten. Der Versuch, die eigene Umwelt vor den verheerenden Plänen der Regierungsbürokraten und der Wirtschaftsinteressen zu schützen, führte zu einer Reihe symbolischer Konfrontationen, bei denen sich die Bürger gegen prestigeträchtige Bauprojekte zur Wehr setzten, deren Realisierung ihre Lebensqualität beeinträchtigen würde.

Die Unfähigkeit der etablierten demokratischen Gremien, auf diese Bedürfnisse einzugehen, hatte die Entwicklung einer Reihe von Basisbewegungen zur Folge, die über den kommunalen Rahmen hinausreichten und begannen, sich in nationalen und transnationalen Netzwerken zu organisieren. Die gewählten Volksvertreter erwiesen sich insbesondere schwerhörig bei dem Thema Atomkraft, das eschatologische Ängste hervorrief, da jeder größere Störfall in einem der kommerziellen Kraftwerke ähnliche Verwüstungen zur Folge haben könnte wie der Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki. In diesen rasch anwachsenden Bürgerinitiativen kam es zu überraschenden Koalitionen zwischen Bauern vor Ort, Stadtbewohnern, engagierten Studenten, linken Intellektuellen und Idealisten, die im allgemeinen auf die Methoden des gewaltfreien Protests aus der US-Bürgerrechtsbewegung zurückgriffen, auch wenn radikale Randgruppen nur allzu bereit waren, auf Repression mit eigener Gewalt zu antworten. In ihrem Glauben an den technologischen Fortschritt hatten die etablierten Parteien wie die SPD keine klare Strategie, wie man mit den Sorgen der Bürger umgehen sollte. Da sie kein Gehör fand, fing eine Minderheit radikaler Aktivisten an, „freie Republiken“ zu bilden, indem sie die Baustellen von Atomkraftwerken oder Wohnhäuser in den Großstädten besetzten und im selbstdefinierten Dienst einer höheren Sache Eigentumsrechte missachteten.

Nach vielen lokalen Konfrontationen gelang es, die Umweltbewegung in der Bundesrepublik durch die Gründung einer neuen politischen Partei in den Bereich der regulären Politik mit einzubeziehen. Im Januar 1980 taten sich die einzelnen lokalen Initiativen zur Partei „Die Grünen“ zusammen, in deren Programm ökologische, soziale, basisdemokratische und pazifistische Anliegen überwogen. Obwohl die neue Partei von ideologischen Auseinandersetzungen zwischen Wertkonservativen und Linksradikalen sowie Idealisten und politischen Pragmatikern zerrissen wurde, hatte sie zunehmend Erfolg bei Wahlen auf kommunaler, Länder- und Bundesebene. Dies lag auch an dem vorherrschenden Klima der Angst, in dem die Sorge um den Schutz der Umwelt mit dem Bedürfnis nach Frieden zusammengebracht wurde, wie die symbolische Gleichsetzung von Atomkraft und Atomkrieg deutlich machte. Darüber hinaus suggerierte die wissenschaftliche Erklärung des Waldsterbens durch sauren Regen, dass der Kapitalismus einer grundlegenden Kurskorrektur bedurfte, wenn akzeptable Lebensbedingungen für Pflanzen, Tiere und Menschen aufrechterhalten werden sollten. In Hessen gelang es den Grünen, ausreichend Stimmen auf sich zu vereinen, um den ehemaligen Straßenkämpfer Joschka Fischer zum ersten Umweltminister – in Jeans und Turnschuhen – zu machen.

In der DDR formierte sich im Schlepptau verschiedener Friedensgruppen ebenfalls eine kleinere Umweltbewegung, auf die die Regierung jedoch mit Repression reagierte und die sie als subversiv stigmatisierte. Infolgedessen sahen sich die Umweltinitiativen gezwungen, Teil der Gesamtopposition gegen die SED-Diktatur zu werden (vgl. Kapitel 16). Da die Kommunisten Fragen des Umweltschutzes noch weniger ernst nahmen als kapitalistische Politiker, ist es nicht verwunderlich, dass der erste große atomare Unfall in Europa im kommunistischen Ostblock – in Tschernobyl in der Ukraine – passierte. Die Angst vor Verseuchung griff auch auf den Westen über.

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