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Der Dolchstoß (April 1924)

Obwohl die Oberste Heeresleitung (OHL) im Herbst 1918 zugeben musste, geschlagen zu sein und daher die Reichsregierung ersuchte, Verhandlungen für einen Waffenstillstand aufzunehmen, versuchte die OHL später, sich der Verantwortung für die militärische Niederlage zu entziehen. Erich Ludendorff und Paul von Hindenburg insbesondere verbreiteten Schuldzuweisungen an die politischen Kräfte und beriefen sich dabei z.B. auf die Friedensresolution des Reichstages von 1917 und den Munitionsarbeiterstreik von 1918. Am 18. November 1919 sagte Hindenburg vor dem Untersuchungsausschuss der Nationalversammlung über die Ursachen des militärischen Zusammenbruchs aus. In seiner Aussage behauptete er, die deutsche Armee sei an der Heimatfront von den revolutionären Kräften „von hinten erdolcht“ worden. Besonders die politische Rechte griff die Dolchstoßlegende auf, um sie zum Topos der Agitation gegen die politischen Repräsentanten der Weimarer Republik, vor allem Politikern der SPD und USPD, zu machen. In den 1920er Jahren erhielt die Legende zudem zunehmend eine antisemitische Einfärbung, da dem „internationalen Judentum“ unterstellt wurde, von der deutschen Kriegsniederlage profitiert zu haben. Dieses Titelblatt der Süddeutschen Monatshefte vom April 1924 zeigt einen hinterrücks von einem überproportional großen Dolch erstochenen Soldaten. Die Süddeutschen Monatshefte waren eine in München verlegte Kulturzeitschrift, die seit dem Ersten Weltkrieg nationalistisches Gedankengut verbreitete. Sie verbreiteten die Dolchstoßlegende vehement, vor allem in den beiden als „Dolchstoßhefte“ bekannten Ausgaben vom April und Mai 1924. Der Herausgeber, Nikolaus Cossmann, strengte 1925 den sogenannten „Dolchstoßprozess“ gegen den Chefredakteur der sozialdemokratischen Münchner Post an, der ihm Geschichtsfälschung vorgeworfen hatte. Unter den Zeugen, die im Prozess aussagten, waren Gustav Noske, Admiral von Trotha, Wilhelm Groener, Otto Wels und Philipp Scheidemann. In seinem Urteil gab das Amtsgericht München Cossmann Recht und verurteilte den Chefredakteur der Münchner Post zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung. Dem Prozess wurde von Presse und Öffentlichkeit hohe Aufmerksamkeit zuteil, womit Cossman seine Absicht, die Dolchstoßlegende weiter zu verbreiten, erreicht hatte. 1942 wurde Cossmann, der jüdischer Abstammung war, schwer krank nach Theresienstadt deportiert, wo er noch im selben Jahr starb.

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Der Dolchstoß (April 1924)

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