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Nickel List und Lips Tullian (frühes 18. Jahrhundert)

Trotz des Fortschreitens von aufklärerischen Gedanken zu Menschenrechten und der Menschenwürde folgte die Strafjustiz bis ins 18. Jahrhundert weiterhin früheren, autoritären Prinzipien. Geständnisse wurden mit Folter erzwungen und Verurteilungen betonten eher Strafe und Abschreckung als Resozialisierung. Todesurteile wurden auf unterschiedliche Weise vollstreckt. Zusätzlich zu den „gewöhnlichen“ Enthauptungen und Erhängungen gab es auch Hinrichtungen, die noch grausamere Methoden einbezogen, wie beispielsweise das Rädern. Bei der Körperstrafe handelte es sich häufig um Auspeitschung, Brandmarkung, Verstümmelung und öffentliches An-den-Pranger-Stellen. In den deutschen Territorien, wo die Strafgerichtsordnung Kaiser Karls V., die Constitutio Criminalis Carolina, seit 1532 galt (obwohl sie im 17. Jahrhundert abgemildert wurde), blieben drakonische Strafen bis weit ins 18. Jahrhundert hinein bestehen, wenn auch die Verurteilungen in der zweiten Jahrhunderthälfte weniger hart ausfielen, als es zu einer Verlagerung weg von Hinrichtungen und hin zu Gefängnisstrafen kam. Das Bild unten aus einer Veröffentlichung mit dem Titel „Besonderes curieuses Gespräch im Vorhofe des Reichs der Todten / Zwischen zwey grossen beruffenen Dieben, Räubern und Mördern / Nemlich Nicol Listen, und Lips Tullianen“ vermittelt die Lektion, dass Verbrechen in seinen mannigfaltigen Formen sich einfach nicht auszahlt. Die beiden darin vorkommenden Verbrecher, Nickel List (links) und Lips Tullian (rechts), werden erst in ihren feinen Kleidern und dann in ihren Zellen gezeigt, wo sie ihren „wohlverdienten Tod“ erwarten. Tullian (um 1675-1715) war ein berüchtigter Räuber und Anführer der „Schwarzen Garde“, die in Böhmen und Sachsen ihr Unwesen trieb. Nach mehreren Morden und unzähligen Gefängnisausbrüchen wurde er schließlich 1711 gefangen genommen und 1715 enthauptet. Seiner Hinrichtung in Dresden wohnte eine große Zuschauermenge bei, zu der auch der sächsische Kurfürst Friedrich August I. (später August II. von Polen) gehörte. Im Jahr 1698 raubte Nickel (oder Nikol) List (um 1656-99), ein Räuberhauptmann und Mörder, die Goldschätze der Michaeliskirche in Lüneburg aus und verübte damit den bis dato größten bekannten Kirchenraub. Er und seine Genossen wurden 1699 festgenommen und zum Tode verurteilt. Man zerschmetterte ihre Gliedmaßen und enthauptete sie anschließend. Kupferstich eines unbekannten Künstler, frühes 18. Jahrhundert

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Nickel List und Lips Tullian (frühes 18. Jahrhundert)

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Original: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz