GHDI logo


Kulturminister Johannes R. Becher begrüßt im Weimarer Nationaltheater Thomas Mann (14. Mai 1955)

Zur kulturellen Legitimation ihrer Herrschaft griffen die SED-Machthaber in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) Gedankengänge des marxistischen Literaturtheoretikers Georg Lukács auf, der Goethe als „Gestalt der Vorwärtsentwicklung der Menschheit“ interpretierte und daher für eine Aneignung des klassischen Kulturerbes durch die Kommunisten plädierte. Thomas Mann, zu diesem Zeitpunkt der bedeutendste deutsche Schriftsteller, wurde außerdem von Lukács als eine Art Nachfolger Goethes bezeichnet. Anlässlich der Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag Goethes wurde Mann sowohl nach Weimar (im Osten) als auch nach Frankfurt am Main (im Westen) eingeladen. Mann, der die Einheit der Kulturnation noch nicht als verloren ansah, reiste in beide Städte und wurde dafür im Westen heftig kritisiert. Tatsächlich hatte der Besuch des Schriftstellers im Osten einen hohen Propagandawert, zumal ihm aus Sicht der Kommunisten - der Interpretation von Lukács folgend – die Funktion eines Bindeglieds zwischen der Weimarer Klassik und der kommunistischen Herrschaft in der SBZ zukam. Weitere Ehrungen durch das SED-Regime wie den Nationalpreis lehnte Mann ab; anlässlich der Feiern zum 150. Todestag Schillers nahm er allerdings Einladungen nach Stuttgart und nach Weimar an, da er sich – selbst in Zeiten des Kalten Krieges – mit einem kulturellen Alleinvertretungsanspruch wenig anfreunden konnte. Foto von Gerhard Kiesling.

Druckfassung     zurück zur Bilder-Liste vorheriges Bild      nächstes Bild

Kulturminister Johannes R. Becher begrüßt im Weimarer Nationaltheater Thomas Mann (14. Mai 1955)

© Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz / Gerhard Kiesling