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„Eine Wandertruppe” (30. Mai 1849)

Als immer mehr Abgeordnete angesichts der erstarkenden Gegenrevolution ihres Mandates enthoben wurden oder es niederlegten und die Frankfurter Nationalversammlung Gefahr lief, sich angesichts der reaktionären Repressionen aufzulösen, beschloss eine Minderheit von überwiegend radikal-demokratischen Abgeordneten, das Parlament nach Stuttgart zu verlegen. Die Wahl fiel deshalb auf Stuttgart, weil man hoffte, in Württemberg, dem größten der verfassungsfreundlichen Bundesstaaten, außerhalb des preußischen Machtbereichs die Verfassung durchsetzen zu können. Da insgesamt nur 117 von den ursprünglich 812 Abgeordneten nach dem Umzug nach Stuttgart verblieben, wurde das Parlament abwertend als „Rumpfparlament“ bezeichnet. Die unten abgebildete Karikatur präsentiert das „Rumpfparlament“ als eine Truppe, die zu ihrem nächsten „Gastspiel“ nach Stuttgart wandert, wie das Schild angibt. Die Mitglieder dieser „Wandertruppe“ laufen neben einem schwer beladenen Karren her, auf dem sich dicke Bücher mit Gesetzen und „Reichs-Acten“, Bajonette, ein Bündel „Correspondenz“, ein Tintenfass sowie eine Nachbildung der Paulskirche, des Symbols der nationalen Einheit, stapeln. Bei zeitgenössischen Betrachtern mussten die beiden langhaarigen Gestalten mit den breitkrempigen Federhüten sofort Assoziationen mit Revolutionspersönlichkeiten der Linken wie beispielsweise Friedrich Hecker (1811-1881) wachrufen. Die zwergenhafte Figur ganz rechts, welche mit dem Tragen der Reichsinsignien (Reichsapfel, Zepter und Schwert) überfordert scheint, spielt auf die Kritik an der Repräsentationsfähigkeit des „Rumpfparlaments“ an. Letztlich war der Versuch des „Rumpfparlaments“, die parlamentarischen Beratungen wiederaufzunehmen und die Reichsverfassung doch noch durchzusetzen, sehr kurzlebig: Am 18. Juni 1849 lösten württembergische Truppen die Versammlung gewaltsam auf. Holzstich eines unbekannten Künstlers, Illustrirte Zeitung, Leipzig, Juni 1849.

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„Eine Wandertruppe” (30. Mai 1849)

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