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„Alles liest Alles” – Berliner Lesecafé (1832)

Der Zeitraum von 1815 bis 1848 brachte die Einführung verschiedener Bildungsreformen, die Ausweitung der Volksschulpflicht und die zunehmende Verfügbarkeit von Büchern und Zeitschriften. Infolgedessen wuchs Deutschlands Lesepublikum in dieser Zeit zahlenmäßig enorm an und erreichte in den Revolutionsjahren einen Höhepunkt. Das hier abgebildete Gemälde mit dem viel sagenden Titel „Alles liest Alles“ bezeugt den unersättlichen Hunger der lesenden Öffentlichkeit nach Lesestoff. Allerdings lässt die allzeit wachsame Präsenz des Herrschers, buchstäblich vertreten durch ein Porträt König Friedrich Wilhelms III. (1770-1840), ernsthafte Zweifel darüber aufkommen, ob diesen konzentrierten Lesern auch nur annähernd „alles“ zur Verfügung stand. Nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon hatte der preußische Monarch weitere Reformen aufgegeben, den Weg der Restauration eingeschlagen und sich 1819 für Repressionen in Übereinstimmung mit Metternichs Karlsbader Beschlüssen entschieden, zu denen auch die Pressezensur zählte. Auffällig ist zudem, dass in diesem Lesecafé nur Männer zu sehen sind. Diese Tatsache spiegelt die damaligen Vorstellungen über die Geschlechterrollen wider, denen zufolge der Platz der Frauen nicht in der Öffentlichkeit, sondern im familiären Heim war. Ölgemälde von Gustav Taubert (1755-1839), 1832.

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„Alles liest Alles” – Berliner Lesecafé (1832)

© Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz / Hans-Joachim Bartsch
Original: Berlin, Berlin-Museum