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Reihenhäuser in der Gartenstadt Hellerau (um 1910)

Die Gartenstadt bei Dresden-Hellerau war inspiriert durch die Ideen des englischen Sozialtheoretikers Ebenezer Howard (1850-1928), dessen 1898 erschienenes Buch Tomorrow: A Peaceful Path to Real Reform (neu veröffentlicht 1902 unter dem Titel Garden Cities of Tomorrow) zu den bedeutendsten Beiträgen auf dem Gebiet der modernen Stadtplanung zählt. Erschüttert über die Auswirkungen der industriellen Revolution – übervölkerte Städte, unhygienische Mietskasernen und die Ausbeutung der ländlichen Agrarregionen –, stellte sich Howard eine neue Art von Gemeinwesen vor, das die besten Merkmale von Stadt und Land in sich vereinigen sollte. Das Ziel von Howards Gartenstadt war eine Hebung des Lebensstandards aller Arbeiter, indem man ihnen „eine gesunde, natürliche und wirtschaftliche Verbindung von städtischem und ländlichem Leben“ auf gemeindeeigenem Land zur Verfügung stellte.

Howards Vorstellungen fanden sehr großen Anklang bei dem Schreinermeister und Unternehmer Karl Schmidt (1873-1948), der 1898 die Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst gegründet hatte. Zehn Jahre später, als Schmidt eine neue Werkshalle bauen musste, um seine wachsende Belegschaft unterzubringen, entschloss er sich, Deutschlands erste Gartenstadt bei Hellerau zu gründen. Die Gemeinde sollte nach Schmidts Konzeption aus vier Elementen bestehen: aus seiner Fabrik, einem Abschnitt aus Reihenhäusern, einem Abschnitt mit Villen und Einfamilienhäusern sowie aus einem Bereich für kommunale und soziale Einrichtungen. Mit finanzieller Unterstützung durch den Politiker Friedrich Naumann erwarb er ein rund 140 Hektar großes Grundstück nördlich von Dresden und setzte einen Architektenausschuss ein, um die Stadt zu planen und die Bauarbeiten zu leiten, die 1909 begannen. Schmidts Komitee umfasste einige der bekanntesten Architekten der damaligen Zeit: neben anderen auch Richard Riemerschmid (1868-1957), Heinrich Tessenow (1876-1950) und Hermann Muthesius (1861-1927). Die Pläne Schmidts wurden rasch verwirklicht: Seit 1910 war die Fabrik bereits voll in Betrieb und im Juli desselben Jahres wohnten 60 Familien in Hellerau. Bis Ende 1913 waren 383 Wohnhäuser mit 407 Wohnungen errichtet worden und die Gemeinde hatte eine Bevölkerung von etwa 1.900 Einwohnern aufzuweisen. [Siehe Hans-Jürgen Sarfert, Hellerau: Die Gartenstadt und Künstlerkolonie. Dresden, 1995, S. 25].

In vieler Hinsicht verkörperte Hellerau eine Mischung aus älteren deutschen Traditionen und neueren deutschen Reforminitiativen. Die Betonung von Natur und gesundem Leben befand sich beispielsweise auch im Einklang mit der Kleingartenbewegung des Leipziger Arztes Daniel Gottlob Moritz Schreber (1808-1861). Die später als Schrebergärten bekannt gewordenen Gartenkolonien waren ursprünglich gemeinschaftlich verwaltete Gärten an den Stadträndern. Sie sollten den Bewohnern der Mietshäuser eine Gelegenheit geben, zu gärtnern und die freie Natur zu genießen. Hellerau ließ sich jedoch nicht nur vom Gesichtspunkt der Tradition, sondern auch der Moderne betrachten. Das Ziel von Schmidts Werkstatt zum Beispiel war es, Künstler und Handwerker zusammen zu bringen, um qualitativ hochwertige Waren und Möbel zu erschwinglichen Preisen herzustellen. Er verschrieb sich der Suche nach zeitgemäßen Formen, die zur Beschaffenheit des Materials passten, aus dem sie gestaltet wurden. In dieser Hinsicht nahm sein Vorhaben gewisse Zielsetzungen des Bauhauses vorweg.

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Reihenhäuser in der Gartenstadt Hellerau (um 1910)

© Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz / Kunstbibliothek, SMB
Original: Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin