Fidus, Zurück zur Natur – Menschenpaar (1910)

Die schnell fortschreitende Industrialisierung und Verstädterung im Deutschland des 19. Jahrhunderts veränderten gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen, die seit Jahrhunderten auf Grundlage der Landwirtschaft und kleiner Städte und Dörfer gewachsen waren. Als Reaktion auf diese plötzlichen Veränderungen machten sich einige Deutsche eine Lebensweise zu eigen, die zum Ziel hatte, den Menschen der Natur wieder näher zu bringen. Die Lebensreform-Bewegung lehnte Industrialisierung und Verstädterung ab und propagierte unter anderem eine vegetarische Ernährung, eine Kleiderreform, um den Menschen von einengender Kleidung zu befreien, und die Freikörperkultur. Wander- und Naturvereine wie der Wandervogel waren ebenfalls Teil der Lebensreform-Bewegung. Einige Anhänger der Bewegung wandten sich sogar von der jüdisch-christlichen Tradition ab, um sich einer Spiritualität zuzuwenden, welche die Natur und den menschlichen Geist verehrte.

Der Künstler Fidus (Hugo Höppener, 1868-1948), ein begeisterter Anhänger der Lebensreform-Bewegung, schuf diese Illustration von 1910 mit dem Titel „Zurück zur Natur – Menschenpaar“. Das Werk Fidus' basierte auf den Prinzipien des Jugendstil und spiegelte häufig seinen mystischen Glauben wieder, in den 1960er Jahren wurde es daher zur Inspiration für die psychedelische Kunst der Zeit. Dieses Bild stellt ein Ideal der Lebensreform-Bewegung dar: ein junger Mann und eine junge Frau, die ihre jeweilige Rolle erfüllen, während sie in der Natur arbeiten, frei von Einschränkungen wie Kleidung oder städtischer Umgebung. Die Verehrung von Natur und menschlichem Geist verleitete einige Lebensreformer später zu einer Affinität zur „Blut und Boden-Ideologie“ der Nazis. Auch Fidus fühlte sich aus diesem Grund von den Nazis angezogen und trat 1932 in die Partei ein. Trotz seiner Begeisterung für die NS-Ideologie wurde er von den Parteifunktionären jedoch nicht willkommen geheißen. Der Verkauf seiner Werke wurde 1937 von den Nazis verboten.

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