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Paul Bürde, Die Huldigung Kaiser Wilhelms I. (1871)

Die von Gelehrten wie Heinrich von Treitschke in den 1860er und 1870er Jahren propagierte geradlinige Version der Geschichte wird in diesem Gemälde des kaum bekannten Künstlers Paul Bürde (1819-1874) greifbar. Der borussischen Teleologie zufolge war Preußen dazu vorherbestimmt, die „Geschicke“ Deutschland zu erfüllen. So ist hier ein preußischer Ulan zu sehen, der ein Porträt Wilhelms I. vor drei Generationen Deutscher hoch hält, die in einem ländlichen Heim um ihn versammelt sind. Jeder in dieser Szene empfindet Stolz auf Preußens jüngst errungene Militärtriumphe und die deutsche Reichseinigung. Links unten rollen zwei Knaben ein Porträt der Erzfeindes, des französischen Kaisers Napoleon III. (1808-1873), zusammen, während ein Mädchen sich anschickt, eine Girlande um das Porträt Kaiser Wilhelms zu befestigen. Im Hintergrund rechts schlägt ein weiterer Junge einen Nagel in die Wand, wodurch angezeigt wird, wohin das Porträt jeden Moment gehängt wird. Die Botschaft ist klar: Der Kaiser wird seinen rechtmäßigen „Platz“ am Ende einer historischen Saga einnehmen, die mit Luther begann, über Friedrich den Großen und den Helden von Waterloo, Feldmarschall Blücher, fortdauerte. Ebenso wie Luther in die Personifizierung des deutschen Geistes verwandelt wurde, als er die katholische Hierarchie und Rom anprangerte, so ist Wilhelm durch seinen Sieg über den sich einmischenden Abenteurer Napoleon III. vom preußischen König zum deutschen Kaiser verwandelt worden. Somit ist es das Pantheon preußischer Helden – und nicht die des deutschen Volkes –, die der Nation im neuen Reich ihre volle und angemessene Erfüllung gebracht haben.

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Paul Bürde, <i>Die Huldigung Kaiser Wilhelms I.</i> (1871)

© Deutsches Historisches Museum