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Friedrich Cotta, „Wie gut es die Leute am Rhein und an der Mosel jetzt haben können” (30. November 1792)

Hier appelliert Friedrich Cotta an das materielle Eigeninteresse der „einfachen Leute“ unter den Einwohnern der Mainzer Republik und betont die Vorteile des demokratischen Regimes, das unter anderem die drückenden Pachtzinsen und Feudalabgaben aufhob. Wenngleich er zugab, dass der materielle Mangel nicht völlig verschwunden war, sprach sich Cotta für eine engere Bindung an Frankreich aus, um alle Vorzüge aus der neuen Ordnung zu schöpfen.

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Wie gut es die Leute am Rhein und an der Mosel jetzt haben können


Lieben Leute!

Ihr habt neulich aus einem großen Bogen, welcher überall angeschlagen und verlesen ward, die Staatsverfassung von Frankreich kennengelernt. Ohne Zweifel habt Ihr daraus ersehen, daß dieselbe nur das Beste des Volkes wolle und daß Ihr also Euern Zustand um ein Merkliches verbessert, wenn auch Ihr nach derselben leben wollt; und doch glaube ich nicht, daß Ihr alle die Übel erwogen habt, denen Ihr entgehen werdet, wenn Ihr Euch zu dieser Verfassung bekennet.

Hört mich, lieben Leute! Ich meine es von Herzen gut mit Euch, seufzte lange mit Euch unter demselben Joche und wünsche nun, daß auch Ihr glücklich sein möget, wie ich es selbst bin. Wir wollen einmal die Hindernisse miteinander durchgehen, aus welchen zeither Euer Gewerb, Euere Hantierung, Euer Feldbau nicht zum völligen Wohlstande kommen, warum dieselben Euch und Euere Familien nicht so gut erhalten konnten, wie Ihr es doch von Euerm Fleiße erwarten durftet. Laßt uns nur einige derselben aufsuchen und sehen, ob sie denn auch in der fränkischen Verfassung stattfinden.

Die zeitherigen Hindernisse Eures größern Wohlstandes sind:

1. Die Leibeigenschaft. Da betrachtet man unseres Herrn Gottes freie Menschen wie ein Stück Vieh, welches keinen eigenen Willen hat, und läßt die Leute nicht einmal unentgeltlich sterben, sondern nimmt noch dem Witwer oder der Witwe und den Waisen ein Stück Geld dafür ab, daß Vater oder Mutter gestorben ist; die armen verlassenen Kinder müssen wieder leibeigen sein und sogar, wenn sie in eine nicht leibeigene Gemeinde ziehen wollen, fünfzehn Prozent ihres Vermögens zurücklassen. Bei der neuen Einrichtung von Frankreich fällt das alles weg; da ist kein Mensch leibeigen; da wird jeder frei geboren und darf unentgeltlich sterben; da kann er von einem Orte in den andern ziehen und dort Bürger werden, ohne daß es ihn etwas kostet.

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