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Schutzhaft (4. Dezember 1916)

Unter den vielen Maßnahmen gegen die Kriegsopposition an der Heimatfront erwies sich die Schutzhaft als besonders nützlich für die Militärführung. Sie entfernte Andersdenkende sowie andere potenzielle Kritiker aus der allgemeinen Bevölkerung. In den ersten beiden Jahren des Konflikts waren diese Maßregeln sehr wirksam. Doch die sich anhäufenden Kriegsbelastungen in den späteren Jahren hatten dort Erfolg, wo die Agitation gescheitert war: mit dem Andauern der Entbehrungen stieg das Potenzial für Massenunruhen.

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Großes Hauptquartier, 4. Dezember 1916

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

§ 1

Gegen einen Deutschen ist die Anordnung der Haft oder einer Aufenthaltsbeschränkung durch die vollziehende Gewalt auf Grund des Kriegs- oder Belagerungszustandes nur dann zulässig, wenn sie zur Abwendung einer Gefahr für die Sicherheit des Reichs erforderlich ist.

§ 2

Der Haftbefehl ist schriftlich zu erlassen und dem Verhafteten bei der Verhaftung und, falls dies nicht möglich ist, unverzüglich nach der Verhaftung bekannt zu geben; auf Verlangen ist ihm eine Abschrift zu erteilen. Im Haftbefehl sind die der Verhaftung zugrunde liegenden Tatsachen anzugeben.

§ 3

Gegen die Verhaftung steht dem Verhafteten jederzeit das Rechtsmittel der Beschwerde an das Reichsmilitärgericht zu. Bei Zustellung des Haftbefehls ist der Verhaftete hierüber zu belehren. Das Reichsmilitärgericht entscheidet in der Besetzung von vier richterlichen und drei militärischen Mitgliedern.

Das Reichsmilitärgericht kann eine mündliche Verhandlung anordnen und muß dies tun, falls der Verhaftete es beantragt. Es kann den Verhafteren durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vernehmen lassen.

§ 4

Der Verhaftete muß spätestens am Tage nach seiner Verhaftung durch einen Richter darüber vernommen werden, ob und welche Einwendungen er gegen seine Verhaftung zu erheben hat.

§ 5

Der Haftbefehl ist aufzuheben, wenn sein Grund oder Zweck hinfällig geworden oder der Kriegs- oder Belagerungszustand aufgehoben ist, oder wenn 3 Monate nach dem Tage der Verhaftung verflossen sind.

Die Fortdauer der Haft nach Ablauf von je 3 Monaten kann nur auf Grund einer erneuten Sachprüfung und eines neuen Haftbefehls angeordnet werden. Überdies muß, auch wenn eine Beschwerde nicht eingelegt ist, eine Entscheidung des Reichsmilitärgerichts (§ 3) über die Fortdauer der Haft herbeigeführt werden.

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