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Bundeskanzler Helmut Schmidt entwirft sein Programm zur Bekämpfung der zweiten Energiekrise (2. Juli 1979)

Bei der Rückreise von einem Wirtschaftsgipfel in Tokio teilte Bundeskanzler Helmut Schmidt einem Journalisten seine Ideen zur Bekämpfung der erneuten Ölpreiserhöhung mit und verwies darauf, dass er die Priorität auf das Einsparen von Energie und die Entwicklung alternativer Energiequellen legen wird. Auf diese Weise wolle er bei den Deutschen um Vertrauen in anhaltenden Wohlstand werben.

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Vorrang für Ölsparen und neue Technologien

Bundeskanzler Helmut Schmidt ist davon überzeugt, daß in schon relativ kurzer Zeit das Gipfeltreffen der sieben größten Industrienationen in Tokio als „weltwirtschaftliche Zäsur" empfunden werden wird, von ähnlicher wirtschaftsgeschichtlicher Bedeutung vielleicht wie die Ende 1973 ausgelöste sogenannte Ölkrise. Dies erklärte er in einem auf dem Rückflug von Tokio geführten Interview mit SZ-Redaktionsmitglied Franz Thoma. Wichtigste Beschlüsse des Gipfeltreffens waren eine Begrenzung der Ölimporte und die erklärte Absicht, neue Technologien für unendliche Energiequellen zu entwickeln.


Die größten Industrieländer, die immerhin zusammen mehr als die Hälfte des Weltsozialprodukts erwirtschaften, wollen sich nach „ihrem erklärten Willen“ aus ihrer bisher fast hilflosen Abhängigkeit vom Mengen- und Preisdiktat des internationalen Kartells der Ölproduzenten lösen, davon unabhängiger werden. „Unser Land hat an diesen Entscheidungen bewußt und durch sich über Monate erstreckende Vorbereitung mitgewirkt“, betonte Schmidt. Auf die Frage nach längerfristigen Wirkungen dieser Gipfelbeschlüsse für die deutsche Energiepolitik (über die der Kanzler am Mittwoch im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben wird) wie auf den Alltag erklärte Schmidt an Hand eines Beispiels, daß sich in einigen Jahren nur noch wenig Bürger Autos mit hohem Benzinverbrauch werden leisten können.

Das Auto von übermorgen

Zunehmend werde man zu Autos mit niedrigem Spritverbrauch übergehen. „Die Autoindustrie wird sich darauf einzustellen haben.“ Er werde, so sagte der Kanzler, es noch miterleben, daß an die Stelle des Fahrzeugs mit Benzinmotor zunehmend das mit Batterie getriebene Auto tritt. Auch die Entwicklung von wasserstoffgetriebenen Motoren liege im Bereich der nächsten Jahrzehnte. Das Energieprogramm der Bundesregierung von 1973 mit seiner ersten und zweiten Fortschreibung hat nach Überzeugung von Schmidt jedenfalls die Entwicklung richtig auf das Energiesparen, den Ersatz von Öl durch Kohle und die Deckung eines verbleibenden Restbedarfs durch Kernenergie gelenkt. Daran wird festgehalten. Und diese Linie werden andere Industrieländer im Sinne einer gemeinsamen Strategie auf mittlere Sicht übernehmen. Die deutschen Vorschläge seien in Tokio vielfach akzeptiert und in die Schlußerklärung aufgenommen worden.

Beschleunigtes Entwicklungstempo

Die Bundesregierung wird jetzt darauf drängen, daß vor allem Technologien für die Kohlevergasung wie zur Nutzung von Sonne und Erdwärme nachhaltig und schnell entwickelt werden, auch damit später auf die Kernenergie verzichtet werden kann. „Diese Grundlinien müssen jetzt in ihrer Durchführung beschleunigt werden.“ Bundestag, Bundesregierung, Industrie und Gewerkschaften haben nach Schmidts Überzeugung hier zusammenzuwirken. „Vor allem aber müssen auch unsere Bürger von diesen unabwendbaren Notwendigkeiten überzeugt werden.“ (Der Regierungschef denkt offensichtlich daran, die finanziellen Mittel für die Entwicklung dieser Technologien erheblich aufzustocken.)

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