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Der Bundesrat lenkt die Wirtschaft (4. August 1914)

Beim Deutschen Reich handelte es sich um ein bundesstaatliches System, in dem sowohl der Reichstag (das gesamtdeutsche Parlament) als auch der Bundesrat (der die Staaten innerhalb des Reiches vertrat) an der Gesetzgebung beteiligt waren. Mit Kriegsbeginn wurden jedoch die Entscheidungsprozesse rationalisiert und dem Bundesrat die Steuerung der Wirtschaft übertragen. Das preußische Kriegsministerium in Berlin war die Verwaltungsbehörde, die für die Koordinierung vieler dieser Entscheidungen verantwortlich zeichnete. Seine Machtbefugnisse nahmen im Laufe des Krieges rasch zu.

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Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

Verordnen im Namen des Reiches, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

§1
Wird in Veranlassung kriegerischer Ereignisse die rechtzeitige Vornahme einer Handlung, deren es zur Ausübung oder Erhaltung des Wechselrechts oder des Regressrechts aus dem Scheck bedarf, durch höhere Gewalt verhindert, so verlängern sich die für die Vornahme der Handlung vorgeschriebenen Fristen um so viel als erforderlich ist, um nach Wegfall des Hindernisses die Handlung vorzunehmen, mindestens aber bis zum Ablauf von sechs Werktagen nach dem Wegfall des Hindernisses.

Als Verhinderung durch höhere Gewalt gilt es insbesondere,

1. wenn der Ort, wo die Handlung vorgenommen werden muß, von dem Feinde besetzt ist; es sei denn, dass sie bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt trotzdem bewirkt werden kann;

2. wenn die zwecks Herbeiführung der Handlung zu benutzende Postverbindung derart unterbrochen ist, daß ein geregelter Postverkehr nicht mehr besteht.

§ 2
Unbeschadet der Vorschrift des §1 können die dort bezeichneten Fristen im Falle kriegerischer Ereignisse durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats für das gesamte Reichsgebiet oder für Teile des Reichsgebiets um einen bestimmten Zeitraum verlängert werden.

Diese Vorschrift findet auf die Schutzgebiete mit der Maßgabe Anwendung, daß es der Zustimmung des Bundesrats nicht bedarf.

§ 3
Der Bundesrat wird ermächtigt, während der Zeit des Krieges diejenigen gesetzlichen Maßnahmen anzuordnen, welche sich zur Abhilfe wirtschaftlicher Schädigungen als notwendig erweisen.

Diese Maßnahmen sind dem Reichstag bei seinem nächsten Zusammentritt zur Kenntnis zu bringen und auf sein Verlangen aufzuheben.

§ 4

Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft. Der Zeitpunkt, in dem das Gesetz außer Kraft tritt, wird durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats bestimmt.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Wilhelm Delbrück



Quelle: Reichsgesetzblatt 1914, S. 327 f., abgedruckt in Wolfdieter Bihl, Hg., Deutsche Quellen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1991, S. 52-53.

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