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Das Recht der Beschwerde (1980)

Die Option, sich mit einer Eingabe an eine staatliche oder gesellschaftliche Einrichtung zu wenden, war seit den fünfziger Jahren juristisch verankert und wurde von der Bevölkerung als letztes Mittel zur Beschwerde mit steigender Tendenz auch benutzt, wobei der Schwerpunkt bis zum Ende der DDR auf den Mängeln in der Wohnungsversorgung lag.

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Bericht der SED-Bezirksleitung


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Im Jahre 1980 sind bei der SED-Bezirksleitung Leipzig 1154 schriftliche und mündliche Eingaben neu und 199 Zweit- und Mehrfacheingaben eingegangen. Im I. Quartal 1981 wandten sich 297 Eingeber erstmals und 41 Eingeber mit Zweit- und Mehrfacheingaben an die Bezirksleitung.

Im Vergleich zu 1979, wo 1107 Erst- bzw. 152 Zweit- und Mehrfacheingaben eingingen, stieg 1980 die Zahl der Ersteingaben um 4% und die Zahl der Mehrfacheingaben um 24%. [ . . . ]

Am häufigsten waren Wohnungsprobleme (31%) Bestandteil von Ersteingaben. Davon sind 80% dieser Eingaben auf das Stadtgebiet von Leipzig konzentriert. Die Ursachen der Eingaben zu Wohnungsproblemen liegen besonders:

– in gegenwärtigen schlechten bzw. beengten Wohnverhältnissen der Eingeber,
– in Wohnungsproblemen getrennt lebender junger Eheleute,
– in Wohnungsproblemen, die aus Ehescheidungen resultieren,
– in wachsenden Ansprüchen nach Wohnraum von ausgezeichneter Qualität.

Darüber hinaus resultiert ein nicht unbeträchtlicher Teil der Eingaben zu Wohnungsproblemen aus nicht realisierten Vergabeplänen der staatlichen Organe.

Einen weiteren Schwerpunkt stellen, wenngleich in der Anzahl fast konstant geblieben, die Eingaben zu Problemen der Baureparaturen dar. Auch hiervon betreffen ca. 80% die Stadt Leipzig. Diese Kategorie von Eingaben setzt sich zusammen aus solchen, in denen Bürger dringende Reparaturen an älteren Wohnhäusern fordern, und solchen, in denen die Beseitigung von zum Teil beträchtlichen Mängeln an Neubauwohnungen (Nässeschäden, Heizung u. a.) gefordert wird und von den Verantwortlichen nicht unverzüglich reagiert wurde.

Die Eingaben zu Reiseangelegenheiten entwickelten sich von 117 im Jahre 1979 auf 184 im Jahre 1980, dies stellt eine Steigerung um 36% dar.

Weitere Schwerpunkte sind gegenwärtig nicht sichtbar.

Aus der Mehrzahl von Eingaben ist ersichtlich, daß sich die Genossen und anderen Bürger im vollen Vertrauen zur Partei mit ihren Problemen, Anliegen, Hinweisen und Kritiken an deren Organe wenden. Sie bringen damit ihre Anerkennung zur konsequenten Arbeit der Parteiorgane, insbesondere des Generalsekretärs, des Zentralkomitees, der Bezirksleitung und ihres 1. Sekretärs zum Ausdruck. In einer Vielzahl von Eingaben wird die Anerkennung über die von Partei und Regierung erfolgreich verwirklichte Politik in ihrer Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik zum Ausdruck gebracht. Fast 80% der Eingeber bekunden ihre Bereitschaft der Mitwirkung bei der Lösung der von ihnen aufgeworfenen Probleme, beispielsweise durch Um- und Ausbau von Wohnraum, durch die beabsichtigte Mitwirkung bei der Verbesserung von Straßen- und Wegeverhältnissen und auf andere Weise.



Quelle: „Bericht der SED-Bezirksleitung“, PDS-Archiv, Leipzig; abgedruckt in Christoph Kleßmann und Georg Wagner, Hg., Das gespaltene Land. Leben in Deutschland 1945-1990. München, 1993, S. 521-22.

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