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Selbstbeschreibung der Mitglieder einer Berliner Kommune (7. Oktober 1968)

Mitglieder einer Berliner Kommune erklären die Regeln ihres Zusammenlebens, ihre Einstellung zu Geld und zu Sex und ihr Verantwortungsgefühl gegenüber Kindern, das am Anfang ihres Versuchs steht, eine antiautoritäre Revolution in den Lebensstilen anzustoßen.

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Kommunarden über sich selbst

Die folgenden Äußerungen wurden von Mitgliedern der Berliner „Kommune 99" für konkret auf Tonband gesprochen

Wir sind praktisch fünf Leute – und die beiden Kinder. Der älteste ist sieben Jahre alt; er geht jetzt zur Schule, und der Nicolai geht in den Kindergarten. Ute ist Schriftstellerin. Heike hat vier Semester Medizin studiert und jetzt auf Soziologie umgesattelt. Ihr Vater ist übrigens Landgerichtsdirektor hier in Berlin. Er hat aufgehört, ihr Geld zu schicken, mit der Begründung, er zahlt nicht die Streichhölzer, mit denen dann später sein Haus angezündet wird. Dann ist da noch Friedhelm – Porträtmaler, und ich bin Arbeiter und versuche im Augenblick, im Gartenbau ein bißchen Geld reinzuholen. Achim ist technischer Zeichner, er zieht zu uns, wenn wir die große Wohnung bekommen. Und Gaby hat zwar ein eigenes Zimmer, wohnt aber ab und zu bei uns und will in Zukunft ganz bei uns bleiben.

Alles Geld, was wir bekommen, wird zusammengelegt, davon werden dann Rechnungen bezahlt, das Essen usw. Es liegt im Schreibtisch, und wenn wir abends Bier trinken gehen, nehmen wir auch etwas heraus. Unser Alltagsleben regeln wir nicht durch ein Programm, sondern durch eigene Initiative. Für Geschirrspülen oder Kochen z. B. haben wir keine besonderen Regeln. Einer muß es halt machen. Es klappt auch immer ganz gut.

Früher haben wir bei unseren Eltern oder zur Untermiete gewohnt. Dadurch kam man zwangsläufig immer in eine Isolation. Jetzt machen wir unsere politischen Aktionen zusammen; es kommt dann nicht so darauf an, wenn mal einer eingesperrt wird.

Meine Eltern haben angeboten – weil wir doch heiraten wollen –, Achim und mir eine 2-Zimmer-Wohnung zu besorgen, im Neubau, und sie würden uns auch eine Starthilfe geben für die ersten Monate. Wahrscheinlich wollen sie mich aus dem „Dreck“ hier 'rausholen.

Bei mir ist es das gleiche mit meiner Mutter. Die sagt jedesmal, wenn ich zu Hause bin, du kannst ruhig hier schlafen, dein Zimmer ist noch genauso, wie es vorher war.

Was mich am SDS besonders ärgert: Er propagiert seit einiger Zeit die Kommune-Idee und sagt, man müsse die Gesellschaft in Kollektive und Kommunen aufteilen. Und was passiert? Nichts! Es gibt nur ganz wenige Kommunen, und die wursteln sich irgendwie durch. Statt dessen sollte sich der gesamte SDS in Kommunen organisieren.

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