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Spannungen zwischen Zivil- und Militärbehörden: Schreiben des Reichskanzlers an Generalfeldmarschall von Hindenburg (1917)

Hier versucht Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg (1856-1921) eine Harmonisierung der höchsten deutschen Regierungsebenen zu erwirken, wo es bereits zu Kontroversen um die Fortsetzung des Krieges gekommen war. Nach der deutschen Verfassung war der Kaiser der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, doch sein Einfluss auf strategische Entscheidungen war gering. Dennoch war er die höchste Instanz, so dass sich die Spannungen zwischen den zivilen und militärischen Stellen in ihren Beziehungen zum Kaiser offenbarten. Beide Lager bemühten sich, ihn im Sinne ihrer Ziele zu beeinflussen.

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Euerer Exzellenz Schreiben vom 17. d. M. habe ich zu erhalten die Ehre gehabt. Ich ersehe daraus zu meinem aufrichtigen Bedauern, daß mein Telegramm vom 14. bei Euerer Exzellenz Empfindungen hervorgerufen hat, die ich nicht habe hervorrufen wollen, auch nach allem, was mir über die Sachlage bekannt war, nicht habe erwarten können. In Anbetracht der ungeheuren Aufgabe und großen Verantwortung, die auf Euerer Exzellenz ruht, habe ich mich immer bestrebt, sowohl von Euerer Exzellenz als von dem General Ludendorff derartige Angelegenheiten solange als irgend möglich fernzuhalten und die Behandlung den beiderseitigen Referenten zu überlassen. Das habe ich auch in diesem Falle versucht.

Die anliegende Aufzeichnung des Ministerialdirektors Deutelmoser über seine Verhandlungen mit dem Chef des Kriegspresseamts wird Euere Exzellenz davon überzeugen, daß ich mich zu dem Telegramm an Euere Exzellenz vom 14. d. M. nur entschloß, nachdem die Behandlung durch die Referenten ergeben hatte, daß hier eine Erklärung über die verwickelten und gefährlichen Grenzfragen zwischen der militärischen und zivilen Leitung gegen meinen ausdrücklichen Wunsch ohne meine Mitwirkung abgegeben werden sollte. Das Schreiben Euerer Exzellenz vom 17. März hat mich ja nun darüber aufgeklärt, daß dieses Verfahren nicht im Sinne Euerer Exzellenz gewesen wäre, sondern daß es sich offenbar um das Mißverständnis einer nachgeordneten Stelle gehandelt hat. Auf der anderen Seite werden Euere Exzellenz aber, wie ich nicht bezweifele, auch anerkennen, daß die Situation, soweit sie meiner Beurteilung zugänglich war, mich zu direkten Vorstellungen bei Euerer Exzellenz zwingen mußte.

Auf zwei Punkte des Schreibens Euerer Exzellenz darf ich besonders eingehen. Euere Exzellenz sagen, mein Telegramm unterstellte Euerer Exzellenz, imstande zu sein, die Kommandogewalt Seiner Majestät zu untergraben. Eine derartige Unterstellung liegt mir gänzlich fern. Ich habe lediglich es für meine Pflicht gehalten, auf die Folgen hinzuweisen, die eintreten müßten, wenn die betreffenden Fragen der öffentlichen Kritik unterstellt würden.

Was ferner meinen durch das Telegramm vom 29. 9. 16 an Euere Exzellenz weitergegebenen Wunsch der Reichstagsmitglieder nach einem persönlichen Erscheinen Euerer Exzellenz betrifft, so habe ich ein solches Erscheinen sofort abgelehnt und nur die Entsendung eines Generalstabsoffiziers angeregt lediglich zu dem Zweck, tatsächliche Mitteilungen über die Kriegslage, wie sie sonst von mir unter Berufung auf Euere Exzellenz gegeben werden, zu machen, nicht aber um in irgend einer Weise vor der Volksvertretung Rechenschaft abzulegen. Die Einwendungen, die Euere Exzellenz auch hiergegen erhoben, habe ich sofort als durchaus berechtigt anerkannt.

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