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Alfred von Kiderlen-Wächter über seine außenpolitischen Ziele (1911)

Deutschland nutzte seine diplomatische Auseinandersetzung mit Frankreich über den Status von Marokko, um Frankreich im Kongo zu Zugeständnissen zu zwingen. Deutsche Diplomaten wie Außenminister Alfred von Kiderlen-Wächter glaubten, eine nachgiebige deutsche Haltung in der Marokko-Frage könne dem Reich im Gegenzug zu afrikanischen Kolonien verhelfen. Die Deutschen konnten sich schließlich afrikanisches Territorium sichern, die Krise verschärfte jedoch die Spannungen zwischen Deutschland und Großbritannien.

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Die Franzosen sehen ein, daß sie uns eine Kompensation auf kolonialem Gebiet gewähren müssen. Sie wollen dieselbe so klein wie möglich gestalten, und die Regierung wird darin bestärkt in ihrer Angst vor der von der Kolonialpartei erzeugten öffentlichen Meinung und vor dem Parlament. Sie werden sich zu einem annehmbaren Angebot nur entschließen, wenn sie ganz fest überzeugt sind, daß wir andernfalls zum Äußersten entschlossen sind. Wenn wir das nicht dokumentieren, erhalten wir für unseren Rückzug aus Marokko kein Äquivalent, das ein Staatsmann vor dem deutschen Volke verteidigen könnte. Das ist wenigstens meine Überzeugung. Wir müssen den ganzen französischen Kongo haben – es ist die letzte Gelegenheit, ohne zu fechten – etwas Brauchbares in Afrika zu erhalten. Noch so schöne Stücke des Kongo mit Kautschuk und Elfenbein nutzen uns nicht; wir müssen bis an den belgischen Kongo heran, damit wir mittun, falls dieser einmal aufgeteilt werden sollte, und damit wir, solange dieses Gebilde noch besteht, durch ihn die Verbindung nach unserem Ostafrika erhalten. Jede andere Lösung bedeutet für uns eine Niederlage, die wir durch feste Entschlossenheit vermeiden können. [ . . . ]

Sollte diese meine feste Überzeugung nicht die Zustimmung Euerer Exzellenz, und wie ich nach den Allerhöchsten Äußerungen zu Treutler fürchten muß, nicht die Allerhöchste Genehmigung finden, so müßte ich Euer Exzellenz gehorsamst bitten, einen anderen Unterhändler mit den Franzosen zu bezeichnen und von Seiner Majestät meine Entlassung von meinem gegenwärtigen Posten zu erwirken.



Quelle: Ernst Jäckh, Hg., Kiderlen-Wächter, der Staatsmann und Mensch: Briefwechsel und Nachlaß. 2 Bände. Berlin und Leipzig, 1924, Band 2, S. 128ff.

Auch abgedruckt in Willibald Gutsche, Herrschaftsmethoden des deutschen Imperialismus 1897/98 bis 1917. Berlin (Ost), 1977, S. 145.

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