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Erich Mendelsohn, „Architektur und Politik" (1928)


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Die Arbeit des Architekten ist wie kaum eine andere abhängig von den wirtschafts- und sozialpolitischen Grundlagen ihrer Zeit. Sie ist damit zwangsläufig der allgemeinen Politik verbunden. Die Ereignisse der Umwelt, ihre politische Struktur bestimmen die Plattform, auf der die architektonische Arbeit sich erst auszuwirken hat.

An überlieferten Formen hängen und politisch rückwärtssehen ist ebenso folgerichtig wie den neuen konstruktiven Willen unserer Zeit bejahen und gleichzeitig ihre revolutionären politischen Voraussetzungen. Es hängt von der politischen Spannung der ganzen Zeit ebenso ab wie von dem Grad der Hingabe des einzelnen an sein spezielles Werk – ob die Politik eine platonische Angelegenheit ist für die Stunden der Arbeitsruhe und der Diskussionserregung oder eine innere Notwendigkeit. Denn zwischen Sport und Glauben bewegt sich die ganze Welt – auch ihre Politik.

Darum ist niemand unbeteiligt, nur der Grad der Bewußtheit ist verschieden; die Blickweite und das Gefühl für die innere Zusammengehörigkeit aller Zeiterscheinungen. Deshalb ist es unmöglich, beiseite zu stehen als Objekt der Politik. Denn unsere Arbeit beginnt erst, wenn die Politik fertig ist – sie ist verdammt, wenn die Politik die Zeit verkennt. Erst die politische Barrikade, dann die künstlerische. Oft gehen beide parallel.





Quelle: Deutsch- und englischsprachiges Manuskript, 1928, Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Erich Mendelsohn-Archiv, Mss 8; deutsche Fassung publiziert in Frankfurter Zeitung, 28. Dezember 1928; abgedruckt in Erich Mendelsohn, Gedankenwelten, Unbekannte Texte zu Architektur, Kulturgeschichte und Politik, hrsg. von Ita Heinze-Greenberg und Regina Stephan. Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag, 2000, S. 55.

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