GHDI logo


Grundsätze der Deutschen Volkspartei (1919)

Die Deutsche Volkspartei (DVP) entstand in der Anfangsphase der Weimarer Republik als Nachfolgeorganisation der Nationalliberalen Partei des Kaiserreichs. Die DVP unter dem Vorsitz Gustav Stresemanns unterstützte die Republik anfangs nicht und stimmte daher 1919 gegen die Annahme der Weimarer Verfassung. Obwohl er offen die Wiederherstellung der Monarchie forderte, erkannte Stresemann, dass dies nur durch einen blutigen Staatsstreich herbeigeführt werden könnte, den zu unterstützen er nicht bereit war. Von 1920 bis 1931 war die DVP an fast allen Regierungen der Weimarer Republik beteiligt, und ihre Unterstützung der Republik wuchs mit deren zunehmender Bedrohung durch rechtsradikale Parteien. Im Wesentlichen repräsentierte die DVP die Interessen des rechten Establishments, insbesondere der einflussreichen Industriellen und Großunternehmer ebenso wie vieler kleinerer Grundeigentümer. Ihr politisches Programm entsprach diesen Interessen, wobei die Forderung nach Steuersenkungen und wirtschaftsfreundlicher Politik für sie Priorität vor dem Fortbestand der Republik hatte. Die DVP trat außerdem für stärkere internationale politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit ein während sie gleichzeitig eine Revision des Versailler Vertrages forderte. Zudem unterstützte die Partei die Verteidigung der „nationalen Besonderheiten“ Deutschlands, zu denen sie kulturelle, geistige und moralische Werte zählte. Daher unterstützte die DVP in den 1920er Jahren häufig auch antisemitische Positionen, allerdings nicht mit der gleichen Offenheit oder Gewalt der rechtsextremistischen politischen Bewegungen.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 1



Leipzig, 19. Oktober 1919

I. Vom Staatswesen.

1. Staatsgewalt. Eine starke, festgefügte Staatsgewalt — gestützt auf sorgsame Pflege staatsbürgerlichen Pflichtbewußtseins, letzten Endes aber auch auf die unerläßlichen Machtmittel — ist die erste Voraussetzung für eine gedeihliche Entfaltung der deutschen Volkskraft nach außen und innen. Je geringer die Machtmittel des Reiches sind, um so notwendiger ist es, das Pflichtbewußtsein gegen den Staat bis zum Tode, die Manneszucht und Kameradschaft, die Grundpfeiler, auf denen unser deutsches Volksheer aufgebaut war, im deutschen Volke lebendig zu erhalten. Dafür wird die Deutsche Volkspartei allezeit eintreten.

Sie fordert volle politische Gleichberechtigung aller Staatsbürger; sie erblickt aber in der freiwilligen, vertrauensvollen Gefolgschaft, die das Volk seinen selbstgewählten Führern leistet, eine wesentliche Vorbedingung für Deutschlands Freiheit und Aufstieg. Sie wird diese Gesinnung besonders pflegen.

2. Stellung nach außen. Wie für den einzelnen in der Volksgemeinschaft, so verlangt die Deutsche Volkspartei für das deutsche Volk im Kreise der Völker die ihm gebührende Achtung und Freiheit der nationalen und wirtschaftlichen Entwicklung.

Sie erstrebt eine politische und wirtschaftliche Völkerversöhnung, hält diese aber für unmöglich, solange die Ehre des deutschen Volkes von unseren Feinden zertreten, eine Vereinigung aller Deutschen, die von uns gerissen sind oder sich zum Reiche bekennen, einschließlich der österreichischen Deutschen, verhindert und der uns aufgezwungene Gewaltfriede aufrechterhalten wird.

Unsere auswärtige Politik bedarf einer umsichtigen, zielbewußten und sachkundigen Leitung […].

An der geistigen und sittlichen Hebung der auf niedriger Kulturstufe stehenden Völker mitzuarbeiten, ist auch das deutsche Volk berechtigt.

3. Staatsform. Die Deutsche Volkspartei wird den Wiederaufbau des Reiches mit allen Mitteln fördern. Daher wird sie im Rahmen ihrer politischen Grundsätze innerhalb der jetzigen Staatsform mitarbeiten.

Die Deutsche Volkspartei fordert den deutschen Einheitsstaat mit weitgehender Selbstverwaltung und Sicherung der Eigenart der einzelnen geschichtlich, kulturell und wirtschaftlich zusammenhängenden Landschaften. Solange sich aber nicht alle deutschen Länder gleichmäßig dem deutschen Einheitsstaat einfügen, wird die Deutsche Volkspartei sich jedem Versuch einer Zertrümmerung Preußens widersetzen.

Wir fordern die Wiederherstellung der ruhmvollen schwarz-weiß-roten Reichsfarben.

Die Deutsche Volkspartei erblickt in dem durch freien Entschluß des Volkes auf gesetzmäßigem Wege aufzurichtenden Kaisertum, dem Sinnbild deutscher Einheit, die für unser Volk nach Geschichte und Wesensart geeignetste Staatsform.

[…]

6. Volkstum und Familie. Die Not der Zeit, die Bedrückung durch unsere Feinde, der Haß und die Verleumdung, die dem deutschen Volke überall begegnen, machen es besonders notwendig, daß es seiner völkischen Eigenart bewußt werde und alle geistigen und sittlichen Werte, die in ihm liegen, herausarbeite. Dazu will die Deutsche Volkspartei nach Kräften mitwirken. […]

Die tiefste Quelle unserer Volkskraft liegt in der deutschen Familie. Je mehr die Schule unter Einflüsse kommt, die dem deutschen Wesen fremd sind, um so kräftigeren Rückhalt muß die Pflege deutscher Geschichte und deutscher Vaterlandsliebe in der Familie finden. Alles, was zum Schutz und zur Stärkung der Familie, insbesondere auch durch Boden-, Wohnungs- und Steuerpolitik, getan werden kann, wird durch die Deutsche Volkspartei tatkräftigste Förderung erfahren.

7. Bevölkerungspolitik. Die Volksgesundheit leiblich und sittlich zu pflegen und zu fördern, ist der Deutschen Volkspartei ernste Pflicht. Sie will das deutsche Volk deutsch erhalten und bekämpft daher insbesondere die seit der Revolution eingetretene Überflutung Deutschlands durch fremdstämmige Personen.

[…]

9. Frauenfrage. Die Deutsche Volkspartei tritt ein für die politische, wirtschaftliche und rechtliche Gleichstellung der Geschlechter […].

11. Jugendpflege. Die Deutsche Volkspartei tritt ein für einen tatkräftigen Ausbau der Jugendpflege unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung und Stärkung der deutschen Volkskraft. Alles, was zur körperlichen, geistigen und sittlichen Ertüchtigung der Jugend dient, ist nachdrücklich zu fördern. Die öffentlichen Fürsorgemaßnahmen und die private Wohltätigkeit für die Jugend sind, insbesondere durch gesetzliche Einführung von Jugendämtern, auszubauen und miteinander zu verbinden.

12. Religion und Kirche.

[…]

Die Deutsche Volkspartei tritt ein für volle Freiheit und Selbstverwaltung aller religiösen Gemeinschaften. Die Kirchen sollen frei von staatlicher Bevormundung ihre bisherige Stellung als Körperschaften des öffentlichen Rechts, einschließlich des Rechts zur Besteuerung ihrer Mitglieder, behalten. Anderen Religionsgemeinschaften ist die Möglichkeit zu verschaffen, durch staatliche Anerkennung dieselben Rechte zu erwerben.

[…]

II. Von der Volkswirtschaft.

[…]

15. Arbeitsgemeinschaft. Die Deutsche Volkspartei sieht die Lösung der sozialen Frage nicht in äußeren Formen des Wirtschaftslebens, die mit erhöhtem Zwang nur seine Leistungsfähigkeit mindern, sondern in der innerlichen Gleichberechtigung aller Volksgenossen und der sittlichen Überwindung aller Gegensätze zwischen den verschiedenen Bevölkerungskreisen, zwischen Stadt und Land, Unternehmern und Mitarbeitern. Eine Sozialisierung der deutschen Wirtschaft verwirft sie; der Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Forderungen der einzelnen Berufsgruppen ist auf dem Wege gütlicher oder schiedsgerichtlicher Einigung herbeizuführen.

[…]

21. Handel und Schiffahrt; Kolonien. In Anerkennung der hohen Bedeutung des Bank- und Versicherungswesens, des Handels und der Schiffahrt für unsere gesamte Volkswirtschaft wird die Deutsche Volkspartei ihnen mit allen Mitteln behilflich sein, die frühere Weltgeltung wieder zu erringen. Lästige Fesseln müssen ihnen ferngehalten werden.

[…]

Die Deutsche Volkspartei wird alles daran setzen, um für Deutschland ein seinen wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechendes Kolonialland wiederzuerlangen.

[…]





Quelle: Grundsätze der Deutschen Volkspartei (1919), in Deutsche Parteiprogramme 1861-1954, herausgegeben von Dr. Wolfgang Treue, Quellensammlung zur Kulturgeschichte, Band 3. Göttingen, Frankfurt, Berlin: Musterschmidt Wissenschaftlicher Verlag, 1955, S. 113-22.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite