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Programm der Deutschen Demokratischen Partei (1919)

Als fortschrittliche und liberale Partei war die Deutsche Demokratische Partei (DDP) ein Gründungsmitglied der “Weimarer Koalition”, die auch die Sozialdemokraten und die katholische Zentrumspartei einschloss. Die DDP stellte sich gegen die extremen Ansichten der politischen Linken und Rechten. Unterstützung erhielt sie von den mittelständischen Berufstätigen, darunter auch der kleinen Bevölkerungsgruppe der Juden in Deutschland, sowie Befürwortern der Demokratie. Gleichheit vor dem Gesetz und Zivilgerichtsbarkeit waren wichtige Themen der politischen Botschaft der DDP. Vor allem betonte die DDP die Legitimität der Weimarer Verfassung sowie gleiches Recht und Autorität als Teil der deutschen Nationalkultur. Darüber hinaus trat die DDP für das Frauenwahlrecht und den Schutz der nationalen Minderheiten ein. Ihr „Programm der Deutschen Demokratischen Partei” stellte sie bei der Gründung der Weimarer Republik 1919 vor: Es versprach Unterstützung aller im Ausland lebenden deutschen Staatsbürger und ein Eintreten für das Ziel einer Vereinigung aller Deutschen in einem Nationalstaat. In deutlichem Gegensatz zu den konservativen deutschen Parteien unterstützte die DDP einen dauerhaften Zusammenschluss aller freien Staaten im Völkerbund. Im Inland definierte sich die DDP als eine Arbeiterpartei, die den sozialen Rechten und der Freiheit verpflichtet war.

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Leipzig, 13.-15. Dezember 1919

[...]

I. Staat.

1. Innere Politik. Die Deutsche Demokratische Partei steht auf dem Boden der Weimarer Verfassung; zu ihrem Schutz und zu ihrer Durchführung ist sie berufen. Voraussetzung des Erfolges ist die Erziehung des Volkes zur staatsbürgerlichen Gesinnung. Das Verhältnis des einzelnen zur Gesamtheit bestimmt sich durch den Gedanken der staatsbürgerlichen Pflicht. Sie verleiht den Rechten der Volksgenossen Inhalt wie Begrenzung. Die deutsche Republik muß ein Volksstaat sein und unverbrüchlich zugleich ein Rechtsstaat.

Wir erstreben die Einheit des Reiches, aber unter Berücksichtigung und Erhaltung der Eigenart der deutschen Stämme.

[...]

Das Recht ist ein Teil der Volkskultur und muß deshalb volkstümlich ausgestaltet werden.

Das uns aufgezwungene Söldnerheer ist baldigst durch ein Milizsystem mit allgemeiner Wehrpflicht zu ersetzen, das geeignet ist zur Verteidigung unserer nationalen Unabhängigkeit.

2. Äußere Politik. Ausgangspunkt und Inhalt der äußeren Politik Deutschlands ist für die nächste Zeit die Revision der Friedensverträge von Versailles und St. Germain. Denn auch in den Beziehungen der Völker zueinander soll nicht Macht und Unterdrückung, sondern Gerechtigkeit und Freiheit walten. Niemals nehmen wir das Diktat der Gewalt als bleibende Rechtsordnung hin. Niemals erkennen wir die Absplitterung deutscher Volksteile vom Vaterlande an. Niemals lassen wir vom Selbstbestimmungsrecht der Völker, und wir erstreben, gestützt auf diesen Grundsatz, den Zusammenschluß aller deutschen Stämme.
Deutschlands Anteil an der geistigen Hebung der Menschheit verbürgt ihm den Anspruch auf kolonisatorische Betätigung. Auch den Raub unserer Kolonien fechten wir an.

Ein Hauptziel der deutschen Politik ist die enge Verbindung mit den Auslandsdeutschen und ihr Schutz. Nationale Pflicht ist es, den Volksgenossen unter fremder Herrschaft ihr Volkstum erhalten zu helfen; aber auch die Achtung nationaler Minderheiten in Deutschland betrachten wir als politisches Gebot.

Die letzte Verwirklichung unserer Gedanken kann dauernd nur erzielt werden durch einen Bund aller freien Staaten. Wir treten daher ein für einen Völkerbund, dessen erste Aufgabe das Zusammenwirken der Nationen ist und der zugleich eine internationale Arbeitsgemeinschaft darstellt.

Eine Mächteallianz aber, die dem deutschen Volke die Gleichberechtigung vorenthält, lehnen wir ab, denn sie fördert nur den Völkerhaß und die Völkerverhetzung.

II. Kultur.

[...]

3. Weltanschauung, Religion und Kirche. Die Krönung des Kulturstaates aber bildet die Verwirklichung der inneren Freiheit in Fragen der Weltanschauung und der Religion. [ . . . ]

Grundsätzlich muß die Trennung von Staat und Kirche allmählich durchgeführt werden, es bleiben aber geschichtliche, ideelle und praktische Beziehungen zwischen Staat und Kirche bestehen. [ . . . ]

III. Volkswirtschaft.

Die Deutsche Demokratische Partei ist eine Partei der Arbeit. Ihr Ziel auf dem Gebiete der Wirtschaft ist der Staat des sozialen Rechts.

Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel im Sinne allgemeiner Verstaatlichung wäre tödliche Bürokratisierung der Wirtschaft und verhängnisvolle Minderung ihres Ertrages. Wir lehnen sie ab und halten an der Privatwirtschaft als der regelmäßigen Betriebsform fest. [ . . . ]

Darum fordern wir zum ersten: monopolartige Herrschaftsmacht in der Hand weniger und kleinerer Gruppen darf nicht geduldet werden. Für den Boden, das kostbarste Monopolgut des Volkes, folgt daraus: Verhinderung der Bodenspekulation, entschlossene Aufteilung von Großgrundbesitz zur Schaffung von selbstwirtschaftlichen bäuerlichen Familienbetrieben und zur Ansiedlung von Landarbeitern. [ . . . ]

Zum zweiten fordern wir: Soziales Unrecht in der Verteilung des Besitzes und des Einkommens ist zu beseitigen. Der Staat kann nicht jedem das gleiche Einkommen zuweisen; denn jeder soll den Lohn seiner Leistung erhalten. Er muß aber die Voraussetzungen schaffen, von denen aus jeder ohne unsachliche Hindernisse dieses gerechte Einkommen sich erarbeiten kann. [ . . . ]

Zum dritten fordern wir: Dem Maschinentum des Menschen im Arbeitsprozeß ist entgegenzuwirken. Die Arbeitsteilung droht die Arbeit völlig der Seele zu berauben. Deshalb müssen Handwerk und Kleinhandel geschützt und gefördert werden. [ . . . ]





Quelle: Programm der Deutschen Demokratischen Partei (1919), in Deutsche Parteiprogramme 1861-1954, herausgegeben von Dr. Wolfgang Treue, Quellensammlung zur Kulturgeschichte, Band 3. Göttingen, Frankfurt, Berlin: Musterschmidt Wissenschaftlicher Verlag, 1955, S. 122-26.

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