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OMGUS-Umfragen: Vorurteile und Antisemitismus (April 1948)

Nach der radikal antisemitischen Politik des NS-Regimes und dem Holocaust beobachten die Alliierten nach 1945 sorgfältig die Einstellung der Deutschen zu den Juden. Die Umfrage vom April 1948 belegt, dass immer noch ein Drittel der Befragten Antisemiten oder radikale Antisemiten sind und mehr als ein Viertel rassistische Positionen vertreten. Besonders stark vertreten ist der Antisemitismus bei deutschen Jugendlichen, die ihre bisherige soziale Prägung komplett im „Dritten Reich“ erfahren haben.

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Vorurteile und Antisemitismus

Befragte: ein Querschnitt von Personen über 15 Jahren in der Amerikanischen Zone.
Untersuchungszeitraum: April 1948 (11 Seiten).



Diese Untersuchung wiederholte eine im Dezember 1946 durchgeführte Erhebung (siehe Bericht Nr. 49). Ziel war es festzustellen, ob der Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung verbreitet war, und wenn ja, sowohl das Ausmaß der Verbreitung als auch sein Auftreten innerhalb bestimmter Bevölkerungsgruppen zu messen. Eine historische Vorbemerkung: Während es im Jahre 1933 ungefähr 503 000 Juden in Deutschland gab (0,8 Prozent der Gesamtbevölkerung), waren es 1948 weniger als 20 000.

Ein Vergleich der beiden detaillierten, im Dezember 1946 und April 1948 durchgeführten Erhebungen zum Antisemitismus ergab, dass der offene Antisemitismus in dieser Zeit nicht zugenommen hatte. Er war sogar leicht gesunken, von 21 auf 19 Prozent bei den Antisemiten und von 18 auf 14 Prozent bei den extremen Antisemiten.

Gleichzeitig aber hatten sich rassistische Ansichten – die Grundlage des Antisemitismus – von 22 auf 26 Prozent erhöht.

Eine objektive Einschätzung verschiedener Bevölkerungsgruppen (einmal abgesehen von möglichen Einwänden gegen die Formulierung der Fragen) ergab, dass etwa zwei von zehn Personen eindeutig antisemitisch waren, etwa drei von zehn gleichgültig oder desinteressiert, und knapp über die Hälfte konnte als „nicht antisemitisch“ bezeichnet werden. Die Unterschiede zwischen den Gruppen entsprachen jenen des früheren Berichts: Frauen, Personen mit geringer Bildung und Bewohner ländlicher Regionen neigten eher zu Antisemitismus als Männer, Gebildete und Städter. Eine detailliertere Analyse brachte allerdings zutage, dass die Einstellungen in dieser Frage noch mehr vom geographischen Ort abhängig waren als vom Bildungsniveau. Eine Untersuchung der Regierungsbezirke ergab, dass zum Beispiel in Württemberg Vorurteile häufiger anzutreffen waren (Gradient von 129 Prozent auf einer Skala, bei der 0 Prozent das vollkommene Fehlen von Vorurteilen und 100 Prozent den totalen Antisemitismus bedeutete) als in Baden (Gradient von 103 Prozent).

Je mehr Wissen, desto weniger Vorurteile. Jedoch hatten Eltern deutscher Jugendlicher häufiger mehr Vorurteile als kinderlose Ehepaare. Deutsche zwischen 15 und 19 waren antisemitischer eingestellt als andere Altersgruppen. Gewerkschaftsmitglieder waren weniger oft antisemitisch als Nichtmitglieder. Die Vertriebenen aus dem Osten unterschieden sich bezüglich des Ausmaßes der Vorurteile nicht von den Einheimischen in einer bestimmten Region.



Quelle: A. J. und R. L. Merritt, Public Opinion in Occupied Germany, The OMGUS Surveys. Urbana, IL, 1970, S. 239-40.

Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche: Erica Fisher

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