Der Zentralrat der Freien Deutschen Jugend, Abt. Organisation-Instrukteure
Betr.: Einschätzung der gegenwärtigen Bandentätigkeit und strafbaren Handlungen die gegen den Staat gerichtet sind, besonders unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme, Anstiftung und Alleintäterschaft durch ehemalige Republikflüchtlinge bzw. Erstzuziehende Das Sekretariat beschließt:
1. Der vorliegende Bericht wird zur Kenntnis genommen.
2. Der vorliegende Bericht, einschließlich der Schlußfolgerungen, wird mit den 1. und 2. Bezirkssekretären zur nächsten Besprechung ausgewertet.
3. Die Abt. Org.-Instrukteure wird beauftragt, die beschlossenen Maßnahmen zu kontrollieren bzw. zu organisieren.
Im II. Quartal 1960 ist dem Sekretariat darüber zu berichten.
Einschätzung der gegenwärtigen Bandentätigkeit und strafbaren Handlungen die gegen den Staat gerichtet sind, besonders unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme, Anstiftung oder Alleintäterschaft durch ehemalige Republikflüchtige bzw. Erstzuziehende.
I.
In der letzten Zeit häufen sich die Meldungen, wonach Jugendliche sich zusammenrotten, strafbare Handlungen begehen und die Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens verletzen. Sie begehen besonders Verbrechen gegen den Staat, Landfriedensbruch, Diebstähle, Sachbeschädigungen, unzüchtige Handlungen u.ä. Delikte.
Die vorliegenden Beispiele zeigen, daß es nicht nur in den Großstädten derartige Zusammenrottungen gibt, sondern auch in den mittleren und kleineren Städten.
Ausgangspunkt, d.h. Sammelbecken der betroffenen Jugendlichen sind nicht selten unsere Jugendklubhäuser.
Am häufigsten sind die „Rock’n Roll Verehrer“ anzutreffen. Es sind in der Regel Gruppen von 15-20 Jugendlichen (auch Mädchen!) im Alter von 16-21 Jahren.
Diese Banden verbinden ihre „Forderungen“ nach Rock’n Roll mit einer wüsten Hetze gegen unsere leitenden Genossen Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl und Walter Ulbricht. Im Prinzip treten sie in verschiedenen Städten der DDR mit den gleichen provokatorischen Äußerungen auf. Die uns im Augenblick bekannten sind: „Wir wollen keinen Pieck und Grotewohl und Ulbricht, wir wollen Rock’n Roll“; „wir tanzen keinen Lipsi und auch nicht nach Alo Koll, wir sind für Bill Haley und tanzen Rock’n Roll“; „wir warnen, ein neuer 17.6. steht bevor“; „Nieder mit den Kommunistenschweinen“ u.ä.
Sie verlegen ihre Treffs auch in die Wohnungen von Jugendlichen, die dem „Club“ angehören. Die Beispiele deuten ganz entschieden darauf hin, daß in nicht wenigen Fällen die Anführer Jugendliche sind, die die DDR ein- oder mehreremale verlassen haben bzw. Erstzuziehende. Zum anderen wurde festgestellt, daß die Organisatoren direkt in Westberlin und Westdeutschland sitzen und von dort aus leiten.
Oft werden Aussagen von den festgenommenen Jugendlichen gemacht die besagen, daß sie erst ein „Ding“ drehen wollten, um dann die DDR zu verlassen und als „politischer Flüchtling“ zu gelten. Sie bekämen dann schneller Arbeit und Unterkunft in Westberlin und Westdeutschland.
Öffentliche Auseinandersetzungen mit diesen Fragen führen nicht immer zum Erfolg.
In Frankfurt/Oder z.B. war es erst nach schwerer Arbeit gelungen, die Eltern von den betreffenden festgenommenen Jugendlichen von deren Untaten zu überzeugen. Im Beisein der Eltern stritten die Jugendlichen alles ab. Erst nach dem jeder einzeln vor die Eltern gestellt wurde, gaben sie ihre Handlungen zu.
In Pößneck wurde zu Vorfällen auf einem Jugendforum Stellung genommen. 1.000 Personen (besonders Jugendliche) waren erschienen. Der Verlauf des Forums erbrachte keine klare Distanzierung der Oberschüler von diesem schändlichen Treiben. Sie diskutierten nur um Musikfragen und wollten die Zusammenhänge nicht begreifen.
Die Öffentlichkeit ist über derartige Vorfälle empört. Sie greift aber noch nicht aktiv in die gesellschaftliche Erziehung ein. Hier liegen besonders Versäumnisse bei den Organen des Staates.
Die Äußerungen der Jugendlichen, die diesen „Clubs“ angehören, laufen alle darauf hinaus, die Rock’n Roll Musik anzuerkennen, dann würden sie auch in der FDJ mitmachen. Sie versuchen, das gelingt ihnen auch noch in den meisten Fällen, mit den FDJ’lern eine Diskussion über Musik zu führen. Sie sind zudem dabei noch in der Offensive.