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Emil Schäfer über Person und Aufgabenfeld des Bundesministers für Familienfragen (1953)

Nach dem Wahlsieg der CDU-geführten christlich-bürgerlichen Koalition 1953 wird ein neues Ministerium für Familie, Jugend und Gesundheit eingerichtet. Die Regierung möchte die Familie als Kern der bundesdeutschen Gesellschaft stärken. Neben dem ideellen Ziel, zur Gründung von Familien zu ermutigen und dem Trend zur staatlichen Fürsorge zugunsten der Eigenverantwortung entgegenzuwirken, soll sich das neue Ministerium auch für konkrete Hilfestellungen in Form von Familienausgleichskassen zur Unterstützung kinderreicher Familien, den Bau von Wohnungen für Familien und andere familienfördernde Maßnahmen einsetzen.

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Das »Bundesministerium für Familie, Jugend und Gesundheit« im zweiten Kabinett Adenauer sieht zwar aus wie eine Neuschöpfung. Seine Konturen haben sich aber schon in den vergangenen Jahren deutlich abgezeichnet, als nämlich während der CDU-Kongresse die Forderung, das gesellschaftliche Leben solle wieder stärker um die Familie kreisen, immer dringlicher wurde.

Wahrscheinlich wird die seit langem erörterte Einrichtung von Familienausgleichskassen zu den ersten Aufgaben des Ministeriums gehören. Aus diesen Kassen sollen kinderreiche Familien unterstützt werden. Auch dürfte unter dem Einfluß des Familienministeriums der soziale Wohnungsbau künftig mehr Rücksicht auf die wirklichen Bedürfnisse der Familie nehmen. Gerade die Wohnung soll dazu beitragen, daß das Zusammenleben aus dem Zustand einer materiell bestimmten Interessengemeinschaft herausgeführt wird.

Der Chef der neuen Bundesbehörde ist der dreiundfünfzigjährige Franz Joseph Wuermeling, seit 1947 Staatssekretär im Innenministerium von Rheinland-Pfalz. Als Mitglied der CDU-Bundestagsfraktion ist Wuermeling besonders dadurch bekanntgeworden, daß er die Interessen der sogenannten 131er nachhaltig vertreten hat. Man sagt ihm nach, er habe sich eine Tätigkeit, wie er sie jetzt ausübt, seit langem gewünscht. Wie sich das Novum entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Wuermelings neue Behörde rückt bedenklich nahe an allgemeine kulturelle Interessengebiete heran, weshalb auch schon in Bayern das Gespenst ihrer Entwicklung zu einem Bundeskultusministerium an die Wand gemalt wird, was zweifellos übertrieben ist. Immerhin könnte man sich denken, daß das Familienministerium eines Tages die Problematik der sehr unterschiedlichen Schulsysteme in der Bundesrepublik aufgreift, denn schon manche Familie ist bei der Versetzung des Oberhauptes in ein anderes Bundesland deshalb in ziemliche Bedrängnis geraten.

Nicht allein in Deutschland ist zu beobachten, daß an die Stelle der Neigung zur Staatsfürsorge der Gedanke tritt, die Eigenverantwortlichkeit der Familie zu steigern. In Frankreich haben sich die Familienausgleichskassen in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Teil der Sozialversicherung entwickelt. Die Arbeitgeber zahlen einen Aufschlag auf die Lohn- und Gehaltssumme der Angehörigen ihres Betriebes. Diese Aufschläge werden an die Familienausgleichskassen abgeführt, die sich selbst verwalten. Dabei ist den Familienausgleichskassen allerdings in Frankreich oft der Vorwurf gemacht worden, sie wollten einen »Staat im Staate« bilden. Auch der Weltkongreß der internationalen Vereinigung der Familienverbände in Lissabon hat sich kürzlich mit diesen Fragen befaßt.

Welche Einwände auch im einzelnen zu erheben sein werden – die Mobilisierung von Kräften und Talenten aller Art, wie sie in jeder wertvollen Familie schlummern, ist ein erfolgversprechender Weg zur Überwindung der Gefahren, die in dem Drang zum Wohlfahrtsstaate liegen. Etwa vierzehn Millionen Personen in der Bundesrepublik sind Sozialleistungsempfänger und damit an den Staat und seine Vormundschaft gebunden. Es dürfte eine der Aufgaben des neuen Ministeriums sein, den Erwerbssinn in der Familie zu stärken, wodurch manche aus persönlicher Schwäche entstandene Neigung zur Rente in Mut und Aktivität umgesetzt werden könnte. Wieweit von hier aus dann Wirkungen auf die jeweils größeren Lebensgemeinschaften, auf Gemeinde, Länder und Bund, ausgehen, bleibt natürlich abzuwarten.

In einer Stellungnahme im amtlichen Bulletin der Bundesregierung hat Minister Wuermeling die Aufgaben seines Ministeriums selbst umrissen. »Die Gründe für die Arbeit des neuen Bundesministeriums«, erklärt er, »sind darin zu erkennen: Überalterung und geringe Geburtenziffer lassen in wenigen Jahren einen Sterbeüberschuß herannahen. Daneben droht der kommenden Generation eine immer schwerere Belastung durch die Sorge für den steigenden Anteil der über Fünfundsechzigjährigen. Wir haben die Aufgabe, die innere Bereitschaft zu jeder denkbaren Förderung der Familienidee zu schaffen. Auf diesem Boden werden dann die Maßnahmen durchzusetzen sein, die der ethischen und wirtschaftlichen Fundierung gesunder und größerer Familien dienen. Ein Familienideal zu gestalten, kann natürlich nicht Sache des Staates sein.« Es gehe vor allem um Familienausgleichskassen zur Sicherung familiengerechter Löhne, um eine familiengerechtere Steuergesetzgebung, um die familiengerechte Wohnung, familiengerechte Renten, um Jugendfragen, aber auch um Schonung der überbelasteten kinderreichen Mütter. Daneben stehe die Sorge um ein den Familiengedanken bejahendes und förderndes Ehe- und Familienrecht. Der äußere Umfang des neuen Ministeriums werde klein sein. Um so wichtiger sei die Mitwirkung der öffentlichen Meinung an seinen Aufgaben.



Quelle: Emil Schäfer, Der Familienminister. HSTA/Bestand Nachlaß Luders; abgedruckt in Klaus-Jörg Ruhl, Hg., Frauen in der Nachkriegszeit 1945-1963. München: Deutscher Taschenbuchverlag, 1988, S. 117-19.

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