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Erläuterungen des Innenministeriums der DDR zur Lage der ehemaligen Umsiedler (20. Oktober 1953)

Zwar siedelt sich die Mehrzahl der Flüchtlinge und Vertriebenen aus Osteuropa nach 1945 in den westlichen Besatzungszonen bzw. der Bundesrepublik an, aber auch in Ostdeutschland wirft ihre Eingliederung in die Gesellschaft und die Beschaffung von Wohnraum und Arbeitsplätzen erhebliche Probleme auf. Um die soziale Lage der Umsiedler zu verbessern, erlässt die DDR-Regierung ihnen im Oktober 1953 einen Teil der staatlichen Kredite, die zur Gründung eines neuen Hausstandes gewährt worden sind, aber in vielen Fällen nicht zurückgezahlt werden können und die Umsiedler gegenüber anderen DDR-Bürgern, die im Krieg weniger materielle Verluste erlitten haben, benachteiligen.

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Das Ministerium des Innern, Abt. Bevölkerungspolitik



Die Umsiedlung der deutschen Bevölkerung aus der Volksrepublik Polen, der CSR, Ungarn, Rumänien und anderen Ländern ist im wesentlichen in 2 Etappen erfolgt. [ . . . ] Die 1. Etappe umfaßt die sogenannte unorganisierte Umsiedlung aus den Jahren 1944 bis Ende 1945. Der Umfang derselben konnte erst durch eine allgemeine Volkszählung 1946 festgestellt werden.

Mit Schaffung der Zentralverwaltung für deutsche Umsiedler Ende des Jahres 1945 fand diese unorganisierte Umsiedlung ihr Ende. Die in den Jahren 1946 und später durchgeführten Umsiedlungen der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Grenze, der CSR, Rumänien und Ungarn vollzog sich aufgrund eines Umsiedlungsplanes. Im Jahre 1948 fand die Umsiedlung im wesentlichen ihren Abschluß. [ . . . ] Nur noch kleinere Gruppen von Umsiedlern trafen aus der Volksrepublik Polen ein. Ihre Unterbringung in Arbeitsverhältnisse bereitete keine besonderen Schwierigkeiten. [ . . . ] Die Verbesserung der Wohnverhältnisse [ . . . ] und die Ausstattung des Wohnraumes konnte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als „reines Umsiedlerproblem“ betrachtet werden. Aus diesem Grunde wurde die bisherige gesonderte Registrierung der Umsiedler aufgehoben. Aus der Kenntnis heraus, daß eine besondere Herausstellung der Umsiedler die Assimilierung erschwert, wurden dann auch später die Umsiedler-Ausschüsse in den Gemeinden und Kreisen aufgelöst, weil es sich zeigte, daß sie die Seßhaftmachung häufig behinderten und zum Teil noch vorhandenen Gegensätze zwischen der altansässigen Bevölkerung und den Umsiedlern vertieften.

Trotz der nicht mehr gesonderten statistischen Erfassung der Umsiedler wurde weiterhin der wirtschaftlichen Festigung ihrer Existenzen wie Handwerksbetriebe und Bauernwirtschaften und der Versorgung mit Wohnraum große Aufmerksamkeit geschenkt. Trotz der Tatsache, daß die Umsiedler als gleichberechtigte Staatsbürger behandelt wurden, zeigte es sich, daß sie an der allgemeinen Aufwärtsentwicklung der Bevölkerung nicht in vollem Maße Anteil haben. Die Regierung unterbreitete darum der Volkskammer das Gesetz über die weitere Verbesserung der Lage der ehemaligen Umsiedler in der Deutschen Demokratischen Republik, das von der Volkskammer am 9. [8.] September 1950 verabschiedet wurde. (GBl. S. 971)

Besondere Bedeutung bei diesem Gesetz erhielt der Teil V, nach dem den bedürftigen Umsiedlern zur Einrichtung ihrer Wohnung und zur Beschaffung von Möbeln und Gegenständen des Wohnbedarfs zinslose Kredite bis zur Höhe von DM 1.000,-- für jeden Haushalt gewährt wurden. Bis zum 30.5.53 nahmen diese Kreditwährung 695.875 Umsiedlerfamilien in Anspruch, mit einem Gesamtbetrag von DM 400.427.000,--. Die Kreditrückstände betragen DM 18.111.907,--. [ . . . ]

Die Kredite sind von fast 700.000 Familien in Anspruch genommen worden, so daß etwa 2 Millionen Umsiedler von den 4,3 Millionen in der Deutschen Demokratischen Republik lebenden Anteil an dieser Kreditaktion hatten.

Das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel der wirtschaftlichen Festigung und Seßhaftmachung der Umsiedler ist in hohen Umfang erreicht worden, indem die Kreditbeträge zum großen Teil für die Anschaffung von Möbeln verwandt wurden.

Da diese Kredite nur jenen Familien gewährt wurden, die über nur ein bescheidenes Familien-Gesamteinkommen verfügten, befand sich unter den Kreditnehmern eine große Zahl von Rentnern, Sozialunterstützungsempfängern und Personen, die mit ihrem Einkommen weit unter den Richtsätzen von DM 250,-- bzw. 300,-- lagen. Um die Rückzahlung zu leisten, die sich zwischen DM 15,-- bis 30,-- monatlich bewegt, müßten sich die Kreditnehmer häufig in ihrer Lebenshaltung stark einschränken.

In den Schreiben der Umsiedler, gerichtet an das Staatssekretariat für Innere Angelegenheiten, ist wiederholt die Bitte an uns herangetragen worden zu prüfen, ob eine Herabsetzung der Kreditschulden möglich ist. Sie weisen daraufhin, daß die altansässige Bevölkerung diese Kredite nicht in Anspruch zu nehmen brauchte, weil sie keine materiellen Verluste erlitten hatten. Insbesondere wird dieser Antrag damit begründet, daß in den Jahren 1950/1951 jene Artikel, an denen es den Umsiedlern besonders mangelte -- z.B. Bettwäsche -- mit beachtlichen Haushaltsaufschlägen belastet waren, die heute bedeutend niedriger im Preise liegen. [ . . . ]

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