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Das Amtsgericht Meiningen: Entscheidung über Schwangerschaftsunterbrechung nach Vergewaltigung (9. Januar 1946)

Seit August 1945 ist in der sowjetischen Besatzungszonen der Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung erlaubt. Oft lässt sich nur schwer nachprüfen, ob eine Schwangerschaft tatsächlich durch eine Vergewaltigung zustande gekommen ist. Im vorliegenden Fall genehmigt das Amtsgericht Meiningen in Thüringen einen Schwangerschaftsabbruch, obwohl die Schwangerschaft erst mit ziemlicher zeitlicher Verzögerung festgestellt wurde.

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Ich bin am 9. August v.Js. abends auf dem Weg von Bad Salzungen nach Leimbach, wo wir damals noch wohnten, gemeinsam mit meinem mich begleitenden Mann, von sechs russischen Soldaten angehalten worden. Sie kamen uns in einem Personenkraftwagen entgegen und waren offensichtlich angetrunken. Sie haben mich von meinem Mann getrennt, drei Mann haben mich in ein Kornfeld in der Nähe mitgenommen, drei andere haben meinen Mann zurückgehalten. Sie haben uns dabei mit der Pistole bedroht, so daß wir uns nicht wehren konnten. Alle drei Russen, die mich in ihrer Gewalt hatten, haben mich nacheinander vergewaltigt. Erst danach bin ich wieder frei und zu meinem Mann gelassen worden. Ich habe mich gleich nach dem Vorfall von Dr. Keitel, hier, untersuchen lassen, nachdem ich vorher bei Dr. Schirmer in Salzungen gewesen war, schon weil ich befürchtete, irgend eine Ansteckung erlitten zu haben. Die Ärzte haben aber damals bei mir nichts, auch keine Schwangerschaft feststellen können. Die Regel ist bei mir immer sehr unregelmäßig gekommen, so daß ich aus dem Ausbleiben der Regel selber nichts schließen konnte. Erst jetzt nach wiederholter Untersuchung hat Dr. Keitel Schwangerschaft festgestellt. Das Zeugnis habe ich dem Gesundheitsamt eingereicht.

Ich stelle den Antrag, die Schwangerschaft bei mir zu unterbrechen und mir wegen Versäumung der Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

Die Wahrheit meiner Angaben versichere ich hiermit an Eidesstatt.

Beschlossen und verkündet:
daß die Antragstellerin trotz Versäumung der Antragungsfrist mit ihrem Antrag zugelassen wird und weiter wird der anliegende Beschluß verkündigt.

gez. Dr. Lang, Barth



Quelle: Gisela Staupe, Lisa Vieth, Hg., Unter anderen Umständen. Zur Geschichte der Abtreibung. Katalog. Eine Publikation des deutschen Hygiene Museums, Dresden 1993, S. 77.

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