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Bundesminister Franz-Josef Wuermeling über die Unersetzlichkeit der Mütter (Auszug aus der Rede zum Muttertag 1959)

Der christdemokratische Bundesfamilienminister Franz-Josef Wuermeling vertritt ein konservativ-romantisches Frauen- und Familienbild, das in der Doppelbelastung durch Familie und Beruf „Unheil“ und im „Mutterberuf“ die Hauptaufgabe der Frau sieht. Diese Aufgabe habe angesichts des negativen Einflusses moderner Medien auf die Erziehung der kommenden Generationen heutzutage sogar noch an Bedeutung zugenommen.

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Die Doppelbelastung unserer Hausfrauen und Mütter in Familie und Beruf ist keine »fortschrittliche Lösung«, sondern erzwungenes Unheil. Das wird uns deutlich, wenn wir bedenken, daß und wie sich unter der helfenden Hand der Mutter im Elternhaus gerade die auch für unseren Zusammenhang so grundlegend wichtige religiöse und soziale Erziehung vollzieht. Die Mütter sind es ja, die als erste und am ursprünglichsten in uns Menschen den Gottesglauben und das Wissen um den eigentlichen Sinn und das eigentliche Ziel unseres Lebens als festes religiöses Element allen Ringens und Strebens begründen. Der Mutter zuliebe lernt schon das Kleinkind gut zu sein und selbständig zu werden, sich zu beherrschen und sich Fertigkeiten anzueignen. Das tiefe Erleben der Zärtlichkeit, Zusprache und Fürsorge, wie es nur die Mutter zu geben vermag, lehrt uns doch von klein auf, Zuneigung und Liebe zu empfinden und zurückzugeben.

Liebende Hingabe der Mutter in ihrer Stetigkeit und Tiefe ist und bleibt aber auch entscheidend für die Entwicklung des größeren Kindes und des Jugendlichen. Mutterliebe und Muttersorge trägt den jungen Menschen hinweg über die Klippen des Bildungsweges und die Krisen der Reifezeit, stellt ihm das gute Beispiel vor Augen, vermittelt ihm Leitbilder und Wertmaßstäbe, weckt und stärkt die Kräfte des Gemüts und des Gewissens, begleitet ihn mit verstehender und verzeihender Anteilnahme auf dem Weg ins Leben, auf der Suche nach dem eigenen Standort, nach tragenden Interessen, Ideen und Idealen.

Mutterberuf ist daher – auch im Blick auf die gemeinsame europäische Zukunft – Hauptberuf und wichtiger als jeder Erwerbsberuf. Mutterberuf ist Berufung von unermeßlicher Tragweite, fortwirkend in Gegenwart und Zukunft. Sobald die Mutter fehlt oder ihren Platz in Familie und Erziehung nicht mehr voll ausfüllen kann, sind gefährliche Rückwirkungen auf Geist und Gesinnung der nächsten Generation unvermeidlich. Das ist wahrlich nicht zuviel gesagt, wenn wir sehen, daß die heimlichen und guten Verbündeten, die früher einmal die Erziehung im Elternhaus von außen her unterstützten, heute kaum noch so wirksam sind: die Großeltern, die Nachbarschaft, die Überlieferung, die guten Sitten und eine familien- und jugendfreundliche öffentliche Meinung. Statt dessen sind gegen unsere Familien eine Vielzahl von Mächten aufgestanden, die in verhängnisvoller Weise mit ihrer Erziehung konkurrieren und eindeutig gegen sie wirken: die sogenannten »geheimen Miterzieher und Einflüsterer«, wie Film, Funk, Fernsehen, Illustrierte, Reklamen. Gewiß können diese technokratischen Mächte der jungen Generation auch eine Fülle von nützlichen und förderlichen Anregungen und höchst wertvolle erweiterte Bildungsmöglichkeiten bieten. Aber bei uns und allüberall in Europa läßt sich doch feststellen, daß diese Chancen weit weniger genutzt werden, während die unguten Möglichkeiten bis zur höchsten Gefahrengrenze ausgenutzt werden. Ein Mehr vom Guten und Wertvollen und ein Weniger an Wertlosem und Schlechtem wäre uns allen wahrlich lieber!

So ist die Mutter daheim, zumal der Vater weithin nicht daheim ist, heute noch vielfach wichtiger als früher. Eine Mutter daheim ersetzt vielfach alle Fernsehgeräte, Autos, Musiktruhen und Auslandsreisen, die doch allzu oft mit ihrer den Kindern gestohlenen Zeit bezahlt werden.

Auch Europa kann nicht bloß leben von Auto, Bildschirm und technischem Fortschritt – die gern mit Sinn und Vernunft genutzt werden mögen –, Europa wird leben von dem, was mütterliche Herzen in Liebe, Sorge, Aufopferung und Verzicht in die Seelen unserer heranwachsenden Europäer hineingesenkt haben. Ein bloßes Europa der Motoren und Maschinen hat kein inneres Fundament, aber ein Europa starker Herzen opferbereiter Mütter, das wird Bestand haben, weil ethische Werte höheren Rang und dauerhafteren Bestand haben als alle Technik, die im Dienste sittlicher Werte stehen muß.



Quelle: F.J. Wuermeling, Familie – Gabe und Aufgabe. Köln: Luthe Verlag, 1963, S. 73 f; abgedruckt in Christoph Kleßmann, Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970. Göttingen, 1988, S. 492-93.

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