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Marie-Elisabeth Lüders (FDP) zur Eingabe der Fuldaer Bischofskonferenz (Februar 1953)

Die liberale FDP-Politikerin Marie-Elisabeth Lüders weist die Argumentation der Katholischen Bischofskonferenz zurück, der Vorrang der Autorität des Mannes und Vaters in Ehe und Familie ergebe sich aus der natürlichen Ordnung und wendet sich gegen die gesetzliche Fortschreibung des Patriarchats im bundesdeutschen Familienrecht.

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Wir sind uns mit den Bischöfen darüber einig, daß es Aufgabe der Staatsgewalt ist, die Lage der verheirateten Frau den gewandelten sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnissen entsprechend abzuändern und die bürgerlichen Rechte der Gattin – wir setzen hinzu: auch der Mutter – den Bedürfnissen und Forderungen der Jetztzeit anzupassen, unter Berücksichtigung des Gemeinwohls der Familie. [ . . . ]

Die Schwierigkeiten der Diskussion beginnen erst bei der Frage, welche Folgerungen aus der auch von den Bischöfen anerkannten grundlegenden Wandlung der Lebensverhältnisse für die bürgerlichen Rechte der Gattin – und wir wiederholen: auch der Mutter – zu ziehen sind, und zwar nicht nur, wie es die Bischöfe vorbehaltlos zugeben, auf dem Gebiete des ehelichen Güterrechts. – Die Bischöfe gehen ganz allgemein von der sogenannten »natürlichen Ordnung« als Richtschnur für die Beziehungen in Ehe und Familie aus. Sie identifizieren diese »natürliche Ordnung« a priori mit der »Autorität in der Person des Mannes und Vaters«. Wir sind demgegenüber der Meinung, daß diese einseitig autoritäre Ordnung in einem mehrseitigen, auf Treue und Fürsorgepflicht gegründeten Verhältnis, wie Ehe und Familie es sind, nicht »natürlich« ist, sondern unserem gemeinsamen obersten Bestreben, Ehe und Familie aus innerem Wollen und nicht durch äußeren Zwang fest zu gründen entgegensteht. Wir glauben zudem, daß die gleichermaßen bedeutsame Autorität der Mutter in den Augen der Kinder – im Gegensatz zu der Forderung »Du sollst Vater und Mutter ehren« – durch die einseitige Ordnung beeinträchtigt wird. Wir glauben auch, auf jahrzehntelange Erfahrung gestützt, daß die so wichtige Bereitschaft, bei Meinungsverschiedenheiten einander Verständnis entgegenzubringen, um zur Verständigung zu gelangen, – d. h. in praxi, um die Grundlage für die Fortexistenz einer bedrohten Ehe und Familie zu finden – durch das Bewußtsein des Mannes, von gesetzeswegen grundsätzlich Recht zu haben, ernsthaft gefährdet wird. – Die Forderung der Bischöfe läuft darauf hinaus, für alle Eheleute das Patriarchat gesetzlich vorzuschreiben. Hat aber der Staat wirklich das Recht, eine »innerfamiliäre Hierarchie« zugunsten des Mannes oder der Frau aufzurichten? Unter gleichberechtigten Eheleuten ist jeder völlig frei, sich dem anderen in jeder Hinsicht freiwillig zu unterwerfen. Dabei wird – wie es auch der Regierungsentwurf sagt – die stärkere Persönlichkeit entscheiden. Wir glauben nicht, daß Männer ganz allgemein so schwach sind, daß sie einer besonderen gesetzlichen Stütze der Art bedürfen, daß eventuell fehlende Vernunft durch autoritativen Befehl ersetzt werden muß. Nur die wirkliche, in dem Wesen der Persönlichkeit begründete Autorität, nicht aber die sogenannte »präsumptive Autorität« (Mitteis) wirkt Konflikte verhütend. Und wir fragen weiter: hat das patriarchalische System im geltenden bürgerlichen Recht die von den Bischöfen erwartete, Ehe und Familie festigende, Wirkung gehabt? Die Tatsachen geben leider keinen Anlaß zu der Hoffnung, daß diese »natürliche Ordnung« mit der unnatürlichen Ausschaltung der Mutter in der »Autorität des Mannes und Vaters« ein Mittel ist, um die »wesentliche Ordnung der Hausgemeinschaft unangetastet« zu lassen.



Quelle: Manuskript von Marie-Elisabeth Lüders (FDP). BA/Bestand Nachlaß Luders; abgedruckt in Klaus-Jürgen Ruhl, Hg., Frauen in der Nachkriegszeit. Stuttgart: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1988, S. 176-77.

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