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Otto Grotewohl, Ministerpräsident der DDR: Rede „Für das Glück unserer Mütter und Kinder” (27. September 1950)

Ministerpräsident Otto Grotewohl erläutert 1950 die Grundsätze der Frauen- und Familienpolitik der DDR. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist in der DDR-Verfassung verankert, und gesetzliche Regelungen z.B. in den familienrechtlichen Teilen des Bürgerlichen Gesetzbuches, die dem entgegenstehen, sind durch ein neues Familienrecht außer Kraft gesetzt. Allerdings macht Grotewohl auch deutlich, dass für die SED gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichberechtigung eine Einheit darstellen. Damit ergibt sich für die Frauen indirekt eine Arbeitspflicht. Die Erhöhung des Anteils berufstätiger Frauen, ohne die die Vorgaben der Planwirtschaft nicht erfüllt werden können, und die verstärkte Mitarbeit von Frauen im öffentlichen Leben sollen durch vermehrte Ausbildungsanstrengungen und ein Bündel anderer staatlicher Hilfen erreicht werden.

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Unsere Bevölkerungspolitik dient dem Frieden

Wenn die Nazis damals durch ihre verderbliche Eroberungspolitik nach außen hin glaubten, den deutschen Lebensraum mit mehr als hundert Millionen Menschen füllen zu können, so machten sie dem deutschen Volke nicht nur die ganze Welt zum Feinde, sondern sie marschierten mit ihren bevölkerungspolitischen Absichten direkt in den Krieg hinein. Die faschistische Bevölkerungspolitik war mit der Lebensraumtheorie, also dem Raub fremder Länder, aufs engste verbunden und bedeutete Krieg. Hinter jeder Geburt stand bereits der Tod. Jeder von uns weiß, wie der schleichende Hunger schon beim Kleinstkind begann, als das kalte und verbrecherische Wort „Kanonen statt Butter“ zu einer Parole der Wiederaufrüstung gemacht wurde. Dem gegenüber stehen unsere friedlichen Wirtschaftspläne, unser friedlicher Aufbau und die Forderung ständiger Verbesserung der Ernährung unseres Volkes und damit der Ernährung von Mutter und Kind auf eigenem Boden und aus eigener Kraft.

Wenn darum im § 1 des Gesetzes gesagt wird, daß zur Verbesserung der materiellen Lage der kinderreichen Familien und zur Förderung des Kinderreichtums staatliche Unterstützungen gewährt werden müssen, so ergibt sich daraus der grundsätzliche Unterschied. Es gibt keinen Vergleich zwischen der Bevölkerungspolitik Hitlers und der der Deutschen Demokratischen Republik. Die faschistische Bevölkerungspolitik diente dem Kriege und dem Untergang, unsere Bevölkerungspolitik dient dem Frieden und dem Wohlstand.

Wenn wir heute und in Zukunft viele Milliarden in unsere Volkswirtschaft für den Aufbau unserer Industrie, für den Aufbau unserer Landwirtschaft, für die Errichtung wissenschaftlicher Institute und vieler pädagogischer Einrichtungen stecken, dann wüßte ich mir, um diesen Aufbau lebendig zu gestalten, nichts besseres, als umfangreiche Mittel aus unserem Staatshaushalt bereitzustellen, für das beste, was wir überhaupt in unserem Volke besitzen: für unsere Mütter, für unsere Kinder und für unsere Jugend. Sie sind die Lebensträgerinnen des Volkes, sind unsere Zukunft und für sie soll alles, was wir tun, getan werden zur Erhaltung des Friedens und zur Hebung des menschlichen Wohlstandes.

Arbeitskräfte für den Fünfjahrplan

Der Fünfjahrplan setzt die Zahl der Beschäftigten in der Volkswirtschaft auf 7,6 Millionen fest. Die Gesamtzahl der Beschäftigten muß sich im Vergleich zu 1950 um 890.000 Personen erhöhen. Der große Bedarf an Arbeitskräften macht eine Erhöhung des Prozentsatzes der arbeitenden Frauen notwendig. Nach dem Fünfjahrplan wird der Prozentsatz der arbeitenden Frauen in der gesamten Volkswirtschaft von 37 Prozent auf 42 Prozent und in der volkseigenen Industrie von 33,3 Prozent auf 42 Prozent erhöht. Ich habe bereits in meiner Begrüßungsansprache auf dem dritten Bundeskongreß des DFD erklärt, daß grundsätzlich alle Berufe und Arbeiten den Frauen zugänglich sind und daß bei Ausarbeitung der Arbeitskräftenachwuchspläne die bevorzugte Einbeziehung der Frauen in qualifizierte Berufe der Elektroindustrie, der Optik und Feinmechanik, im Maschinenbau, im Baugewerbe, im graphischen Gewerbe sowie in der Holz- und Möbelindustrie festzulegen sind. In § 19 des Gesetzentwurfes hat diese Erklärung ihre Verwirklichung gefunden. Ebenso hat die Regierung nach meiner damaligen Erklärung auf dem dritten Bundeskongreß des DFD in § 20 die Voraussetzungen geschaffen, um auch auf dem Lande in steigendem Maße die Frauen am Neuaufbau und an der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens mitwirken zu lassen. Der Aufbau einer neuen Gesellschaft ohne aktivste und gründliche Beteiligung breiter Schichten der Frauen ist heute unmöglich.

Die Mitarbeit der Frauen muß auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens in der Deutschen Demokratischen Republik zu einer Selbstverständlichkeit werden. Die Frauen sind nicht nur für die berufliche Mitarbeit in der volkseigenen Industrie oder in der Landwirtschaft, sondern für alle Gebiete der Regierungs- und Verwaltungsarbeiten zu qualifizieren.

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