GHDI logo


Rolf Helm, Abteilungsleiter im DDR-Justizministerium: Wiedergutmachung in Westdeutschland (1958)

Nachdem die ersten bundeseinheitlichen Wiedergutmachungsregelungen den Kreis der Anspruchsberechtigten auf Einwohner der Bundesrepublik beschränkt hatten, lässt das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) von 1956 Ansprüche von allen ehemaligen Einwohnern des „Dritten Reichs“ in den Grenzen von 1937 zu. Damit können im Prinzip auch DDR-Bürger Wiedergutmachungsleistungen aus der Bundesrepublik erhalten. Da das BEG diese Leistungen aber generell an ein Bekenntnis zur Demokratie knüpft und damit aktive Kommunisten ausschließt, weigert sich die DDR, Antragsteller bei der Beibringung und Beglaubigung der nötigen Unterlagen zu unterstützen.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 1


An das Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer
Berlin, 4. Juni 1958


Liebe Kameraden!

In dieser Frage ist der Standpunkt des Ministeriums, der allen Staatlichen Notariaten und freiberuflichen Notaren in der DDR bekannt ist, ohne daß es darüber eine Rundverfügung oder veröffentlichte Anweisung gibt, der folgende:

Das Bundesentschädigungsgesetz regelt die Wiedergutmachungsansprüche der Personen, die wegen ihrer gegen den Nationalsozialismus gerichteten Überzeugung verfolgt wurden. In Westdeutschland ist jedoch die Wiedergutmachung seit dem Abschluß der Pariser Kriegsverträge in ihr Gegenteil verkehrt worden. Im Bundesentschädigungsgesetz heißt es, daß Wiedergutmachungsleistungen nicht gewährt bzw. entzogen werden, wenn die betreffenden Personen die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ bekämpfen. Alle deutschen Patrioten und Widerstandskämpfer, die ihren Kampf gegen Faschismus und Militarismus jetzt in Westdeutschland fortsetzen, erhalten keine Wiedergutmachungsleistungen. Die Staatlichen Notariate können deshalb die Maßnahmen der Wiedergutmachung nicht unterstützen. Nur die erhalten hohe Entschädigungssummen, die mit dem Bonner Kriegskurs einverstanden sind. In besonderen Fällen können hiervon Ausnahmen gemacht werden.

Diese Haltung unserer staatlichen Organe ist bis heute konsequent durchgeführt worden. Soweit Ausnahmen erforderlich waren, bei denen es sich um die Sicherung der Existenz besonders aktiver Genossen oder anderer Werktätigen handelt, ist das in jedem Einzelfall zum Teil mit dem Zentralkomitee der SED abgesprochen worden.

Ich bitte hiervon Kenntnis zu nehmen.

Dr. Helm
Abteilungsleiter



Quelle: SAPMO-BArch, DY 57, K 12/5; abgedruckt in Dierk Hoffmann und Michael Schwartz, Hg., Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland. Bd. 8: 1949-1961: Deutsche Demokratische Republik. Im Zeichen des Aufbaus des Sozialismus. Baden-Baden: Nomos, 2004, Nr. 8/183.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite