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Stimmungsbericht der SED Betriebsparteiorganisation im VEB Bergmann-Borsig (1955)

Die schlechte Versorgungslage in der DDR der fünfziger Jahre, gerade auch im direkten Vergleich mit der Bundesrepublik, ist ein ständiges Gesprächsthema in der Bevölkerung. Der Bericht der SED-Betriebsorganisation des VEB Bergmann-Borsig nennt Kritik an den hohen Preisen, der schlechten Qualität und der unzureichenden Verfügbarkeit von Lebensmitteln und Konsumgütern.

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SED Betriebsparteiorganisation
VEB Bergmann – Borsig

Bln.-Wilhelmsruh, den 1.12.55

Stimmungsbericht

Am Montag, dem 28.Nov. 1955 wurden frühmorgens die hauptamtlichen Sekretäre und Mitarbeiter des Sekretariats sowie der Parteileitung vom Genossen C. angeleitet. Die Argumentation für diese Woche umfasste folgende Punkte:

1. Geheimschreiben Dulles an Adenauer in Zusammenhang mit der Koalitionskrise und den sozialen Kämpfen in Westdeutschland.
2. Versorgungsfragen. Hat sich der Lebensstandard in der DDR verbessen?
3. Verkauf von Schieberwaren im Betrieb (Schokolade, Zigaretten).
4. Weihnachtszuwendungen.

Durch die Sekretäre der einzelnen Grundorganisationen wurden insgesamt 104 Agitatoren in der Frühstückspause durch die obengenannten Genossen angeleitet.

Durch die Agitationsarbeit unserer Agitatoren erhalten wir folgende Information:
Im Kesselbau wird über die Republikflucht einiger Kollegen aus unserem Betrieb diskutiert. Hier sprach ein Koll. in der Brigade Heese über die Republikflucht des Koll. NNNN. Er sagte, der Fahr hat ein schönes Geld bei uns verdient. Außerdem war seine Frau ebenfalls berufstätig. Da muss doch etwas nicht in Ordnung sein. Sie hatten ein gutes Auskommen in unserer DDR.

Es gibt aber auch eine Reihe falscher Auffassungen wie z. B. im Gerüstbau. Dort sage ein Kollege, vorläufig gibt es keine Wiedervereinigung Deutschlands, da ist es besser, ich gehe nach dem Westen.

In Halle 13 äußerte ein anderer Kollege, wenn der Zustand sich in dieser Halle, betr. Arbeit, nicht verändert, haut er nach dem Western ab. Eine ganze Brigade dieser Abteilung kaufte heute Margarine in unserer Werk-HO weil es angeblich in Bergfelde keine zu kaufen gibt. Im Allgemeinen sind die Werktätigen der Abteilung 165, Kesselbau, ernsthaft bemüht, die Planaufgaben bis zum Jahresende zu erfüllen. Sie sind aber stark verärgert über die Produktionsstockung in ihrer Abteilung. Sie erklären: wir wollen arbeiten. Man muss uns aber auch die Voraussetzungen dafür schaffen.

In dem Bereich Allgemeine Betriebe brachte ein Kollege zum Ausdruck, die Genfer Konferenz hat nichts gebracht was wir erwartet haben. Wir können die Lage nur verändern, wenn Adenauer zum Rücktritt gezwungen wird. In der Abteilung Energie hat der Gen. Sekretär Beer eine starke Diskussion gehabt mit einem Kollegen, der folgendes äußerte:

Geht mir weg mit eurer Einheit Deutschlands. Die DDR und die SU hätte alles abgelehnt. Ein großer Teil der Kollegen in dieser Abteilung erkennen aber auch jetzt die politischen Aufgaben, die vor uns stehen und lehnen die Einbeziehung ganz Deutschlands in den NATO-Pakt ab. Sie sind bereit, die Errungenschaften der DDR zu verteidigen. Das kommt zum Ausdruck, dass in den Allgemeinen Betrieben die meisten Kandidaten für unsere Partei geworben wurden und einige sich für den Ehrendienst der VP gemeldet haben. Ein Kollege kann nicht verstehen, dass der Verwaltungsapparat bei Bergmann-Borsig so aufgebläht ist. Diesen Zustand müsste man verändern. Eine starke Diskussion entwickelte sich bei dem Verkauf von Schieberwaren. Sie kritisieren: der Preis für Schokolade (4,50 DM) und Zigaretten (6–24 Pfg.) ist zu hoch. Man sollte das in der Währung 1 zu 1 abgeben. Die Waren sind durch längere Lagerzeit nicht mehr vollwertig. Oder man sollte es gar nicht erst in den Betrieb einschleusen, sondern gleich in die Waisenhäuser geben.

Im Generatorenbau waren zur Auswertung der Agitationsarbeit 11 Genossen anwesend. 4 Genossen haben in dieser Woche nicht diskutiert und gaben als Begründung an, dass sie derart in Arbeit stecken und deshalb zum Diskutieren keine Zeit finden.

Hauptsächlich wurde dort die Frage der Versorgungslage diskutiert.

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