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Elisabeth Meyer-Spreckels, „Ehe und Familie in der Verfassung: Bericht vor dem bayerischen Verfassungsausschuss” (14. August 1946)

In den Verfassungsdebatten der Nachkriegszeit geht es um die Frage, ob traditionelle christliche Auffassungen von Ehe und Familie, die bisher auch die Rechtswirklichkeit in Deutschland bestimmt haben, mit dem gewandelten Verhältnis der Geschlechter in Übereinklang gebracht werden können bzw. welche Folgerungen sich aus der deutlich größeren Selbständigkeit der Frau in Krieg und Nachkriegszeit ergeben. In Bayern begrüßt Elisabeth Meyer-Spreckels von der CSU die verfassungsrechtliche Absicherung von Ehe und Familie. Meyer-Spreckels unterstützt zudem die Aufnahme eines Artikels, der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Ehe festschreibt und damit die bisherige Benachteiligung der Frauen aufhebt.

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Meine Herren, meine Damen! Der Abschnitt „Ehe und Familie“ ist wohl nur sehr kurz gefaßt, er umfaßt nur vier kurze Artikel. Trotzdem halte ich ihn für den gewichtigsten innerhalb der Verfassung, da es doch in diesem Artikel um das Persönliche des Menschen geht und zugleich ganz nüchtern gesagt um die Erhaltung der Volkssubstanz. Ohne eine Wesensbestimmung von Ehe und Familie zu geben, rückt die Verfassung Ehe und Familie in den Bereich des Heiligen.

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Gegen den fortdauernden Zerfall der Ehe, gegen die erschreckenden sexuellen Zügellosigkeiten, gegen den sexuellen Materialismus, der ja fast in den Bereich des Strafbaren geht, müssen wir einen Damm aufrichten, einen Damm der Reinigung und Gesundung, auch gegen die doppelte Moral von einst und gegen die beiderseitige Unmoral von heute.

Der Ehe entwachsen naturgemäß die Kinder. Sie sind in der Verfassung als köstliches Gut des Volkes bezeichnet. Ich hätte lieber das Wort „kostbares“ oder „wertvolles“ dort gesehen: Das innerste Wesen der Frau wehrt sich gegen jeden Züchtungsgedanken innerhalb der Ehe, gegen jeden biologischen und bevölkerungspolitischen Materialismus. Das ist eine Erniedrigung der Frau in ihrer heiligsten und ihrer wesentlichsten Funktion. Ebenso war die Verleihung des Mutterkreuzes - es war zwar eine Bagatelle, ich habe sie auch erlebt - gerade vom Dritten Reich aus gesehen eine Blasphemie.

(Sehr gut! bei der CSU.)

Wir bekennen uns zur Mutterschaft als Gnade, nicht zur Belohnung durch Menschen, und sie trägt in sich ein natürliches und göttlich-sittliches, mit dem Wesen der Frau verbundenes Verpflichtungsgefühl. Ich möchte so weit gehen, daß ich sage, wenn wir wieder ein Volk unter Völker sein wollen, so hängt das von zwei Dingen ab, von der Reinheit unserer Ehe und davon, daß wir Eltern unsere natürlichen Rechte und unsere obersten Pflichten innerhalb der Erziehung unserer Kinder erfüllen.

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Ich begrüße es, daß gerade in dieser Richtung, gerade in dieser Frage ein Verfassungsartikel die Ehe als Grundlage der menschlichen Gemeinschaft hinstellt und ausdrücklich Ehe und Familie zu einer Einheit verschmilzt. Daß wir das Recht des Staates, innerhalb der Familie erzieherisch und sonstwie einzugreifen, besonders eingeschränkt haben, ist ja ganz klar; denn wir denken an die unglaublichen Exzesse im Dritten Reich, die beinahe eine Auflösung der Familie bedeuteten.

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Ganz neu ist die Formulierung von Abs. 2 des Art. 91: „Mann und Frau haben in der Ehe grundsätzlich die gleichen bürgerlichen Rechte und Pflichten.“

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Ich hatte den Antrag zur Aufnahme dieses Zusatzes gestellt aus folgender Idee: Die Folgen des Krieges haben doch der Frau innerhalb der Familie eine in starkem Maße erhöhte Verantwortlichkeit gegeben. Sie muß in zahllosen Fällen den kriegsverwundeten oder sonst seelisch und leiblich geschädigten Mann in seiner Funktion in der Familie ersetzen, zum mindesten sehr stark unterstützen. Es ist nicht nur der materielle, sondern auch der seelische Unterhalt der Familie größtenteils in ihre Hände gelegt und die Erziehungsverantwortung trägt sie oft allein. Diesem erhöhten und mit Selbstverständlichkeit übernommenen Pflichtenkreis entspricht aber in keiner Weise die bürgerlich-rechtliche Stellung der Frau.

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Elisabeth Meyer-Spreckels, „Ehe und Familie in der Verfassung: Bericht vor dem bayerischen Verfassungsausschuss“, in Frankfurter Hefte, Januar 1947, S. 93; abgedruckt in Frank R. Pfetsch, Hg., Verfassungsreden und Verfassungsentwürfe: Länderverfassungen 1946-1953. Frankfurt am Main: P. Lang, 1986, S. 107-09.

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