GHDI logo


Jahresbericht über die Tätigkeit des Amtes für Umsiedler bei der Provinzialverwaltung Brandenburg (Ende 1946)

Die Aufnahme, Betreuung und Weiterverteilung der Flüchtlinge und Umsiedler aus den ehemals deutschen Gebieten in Osteuropa kann in der sowjetischen Besatzungszone erst ab dem Jahreswechsel 1945/46 in geordneteren Bahnen abgewickelt werden. Die Standards der Lager und der Flüchtlingsverwaltung werden verbessert und regelmäßig überprüft. Eigene Ämter für Umsiedler sollen im Zusammenwirken mit neugegründeten Umsiedlerausschüssen die dauerhafte Niederlassung der Umsiedler entsprechend den Aufnahmefähigkeiten und dem Arbeitskräftebedarf der Städte und Regionen planen und sie möglichst schnell in die ostdeutsche Gesellschaft integrieren.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 1


[ . . . ]

In der Provinz entstanden über 80 Lager mit einer Aufnahmekapazität von 50–10 000 Menschen. Wir stellten eine Zusammenarbeit mit der Reichsbahnverwaltung her, um die notwendigen Transportzüge zu erhalten, verpflichteten Fuhrunternehmer für die Gestellung von LKW’s, sorgten für die Zufuhr von Lebensmitteln und verpflichteten Ärzte für die Auffanglager. Die ankommenden Umsiedler wurden registriert; das gleiche erfolgte auch in der Provinz mit den Umsiedlern, die bereits Unterkunft gefunden hatten.

Die Hauptaufgabe der Provinz wurde in der Zeit von Oktober 1945 bis Januar 1946, 200 000 Umsiedler in den Auffangspunkten zu versorgen und sie in die Länder und Provinzen zu leiten. Die Kranken mußten Krankenanstalten zugeführt werden; die nicht transportfähigen, altersschwachen Frauen, die große Zahl der Waisenkinder sollten betreut werden. In näherer und weiterer Umgebung fehlten ausreichende, aufnahmefähige Krankenanstalten und Unterkünfte.

200 000 Menschen sollten versorgt werden; für 200 000 Menschen mußten insgesamt 440 523 t Mehl, 11 938 t Fett, 620 488 t Kartoffeln und 33 170 t Nährmittel herangeschafft werden. Etwa 450 Transportzüge waren notwendig, um die Umsiedler in die eigene Provinz, nach Mecklenburg, Thüringen und nach Sachsen zu leiten.

Mit Anfang des Jahres 1946 ließ der regellose Zustrom nach. Es begann nun eine systemvollere Arbeit. [ . . . ] In Bezirks- und Kreis-Konferenzen wurden alle Verwaltungsstellen und auch die Lagerleiter für die zu leistende Arbeit geschult und belehrt. Das Amt entsandte ständig Referenten in die Kreise zu den Lagern und sorgte für Verbesserungen in der Wirtschaftsführung und in der Ausgestaltung der Lager. Es wurden viele Lager geschlossen, um die verbliebenen Lager besser einzurichten. Die Anforderungen, die wir heute an die Lager stellen, sind noch größer, so daß von 29 Lagern, die z. Zt. in Betrieb sind, weitere stillgelegt werden. Auf peinlichste Sauberkeit und Ordnung in den Lagern wird größter Wert gelegt, um jeder Seuchengefahr, speziell in den Wintermonaten, zu begegnen. Die Kreisärzte sind verpflichtet, die Lager allmonatlich zu kontrollieren. Eine Wirtschaftskommission überprüft die Buchführung und den Warenbestand. Der Chef des Kommandanturdienstes der SMA (Sowjetische Militär-Administration) sowie der Arztmajor und der Leiter des Amtes überprüfen in jeder Woche einige Lager. Auf Grund des Prüfungsergebnisses wurden Strafen verhängt, fristlose Entlassungen angeordnet, aber auch Belobigungen ausgesprochen. Ca. 400 Lagerkontrollen pp. wurden durchgeführt.

Für eine gleichmäßige Verwaltungsarbeit in der ganzen Provinz ist gesorgt, durch einen Runderlaß mit Ergänzung, der alle Umsiedlerfragen behandelt. Zur Vertiefung des Verständnisses für die große soziale fürsorgerische Arbeit wurden Arbeitstagungen abgehalten.

[ . . . ]

Eine besondere Stütze für die Arbeit des Amtes sind die Umsiedlerausschüsse. Die Tätigkeit der Orts- und Kreis-Umsiedlerausschüsse zeigte in der Vergangenheit noch gewisse Schwächen. Durch den vor einiger Zeit gebildeten Provinzial-Umsiedlerausschuß wird hier in kürzester Frist eine Besserung erwartet. Eine Arbeitskommission des Provinzial-Ausschusses schafft die Grundlagen für eine umfassende Arbeit und Planung der Verwaltung. Die Ergebnisse der Ermittlungen in allen Gemeinden werden den zuständigen Abteilungen der Provinzialverwaltung Möglichkeiten für Planungen aller Art geben (Wohnungsbau, Industrie, Versorgung usw.). Darüber hinaus werden die Ortsumsiedlerausschüsse dazu herangebildet, in der eigenen Gemeinde die rechtliche Gleichstellung und bevorzugte Versorgung der Umsiedler, Schaffung von Existenzmöglichkeiten den örtlichen Verhältnissen entsprechend sicherzustellen.

[ . . . ]

Die Eingemeindung der Umsiedler erfolgte in den ersten Monaten zahlenmäßig. Heute tritt das Auffangen und Versorgen der Umsiedler in den Lagern als eine Selbstverständlichkeit in den Hintergrund. Wir sind jetzt darum besorgt, die Eingemeindungen so zu lenken, daß der Kräftebedarf in den einzelnen Kreisen gedeckt wird und die Umsiedler eine ausreichende Existenz und nicht zuletzt eine Heimat finden. Heute stehen uns allein zu diesem Zweck in der Provinz Brandenburg zwei Pendelzüge zur Verfügung, die nur die Umsiedler von den Lagern in die einzelnen Kreise der Provinz befördern. Ein Transport mit ca. 1200 Umsiedlern wird nicht selten auf 4–6 verschiedene Kreise verteilt.

Wir wissen genau, daß der Platz, wo der Umsiedler Arbeit findet, ihm und seiner Familie zur Heimat wird. Aus dieser Erkenntnis versuchen wir dafür zu sorgen, daß jeder sofort Arbeit erhält. [ . . . ]



Quelle: Rolf Badstübner, Friedenssicherung und deutsche Frage. Vom Untergang des „Reiches“ bis zur deutschen Zweistaatlichkeit [1943–1949]. Berlin: Dietz, 1990, S. 204-06; auch abgedruckt in Christoph Kleßmann und Georg Wagner, Hg., Das gespaltene Land. Leben in Deutschland 1945-1990. Texte und Dokumente zur Sozialgeschichte. München: Verlag C.H. Beck, 1993, S. 107-08.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite