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Das Gesundheitsamt der Stadt Düsseldorf über die allgemeinen gesundheitlichen Verhältnisse (1946)

Die harten Lebensbedingungen vor allem in den deutschen Großstädten der Nachkriegszeit haben sehr negative gesundheitliche Konsequenzen für die Bevölkerung: Die Ernährung der Säuglinge und Kinder ist durchgehend schlecht. Die Kinder sind untergewichtig und krankheitsanfällig. Schuh- und Bekleidungsmangel verhindern einen regelmäßigen Schulbesuch der Älteren. Die meisten Wohnungen sind stark baufällig und bieten keinen Schutz vor dem Wetter. Heizungen und sanitäre Einrichtungen fehlen ebenso wie Mobiliar. Unterernährung, schlechte Wohnverhältnisse und mangelnde Hygiene schwächen die Leistungskraft und die Widerstandskräfte der Menschen gegen Krankheiten.

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A. Allgemeines Urteil über:

1. den durchschnittlichen Gesundheits- und Ernährungszustand der Säuglinge, Kleinkinder, Schulkinder, Jugendlichen und Erwachsenen.

a) Säuglinge: Die Ernährung ist sehr erschwert und meist infolge langanhaltenden Nährmittelmangels, unregelmäßiger Milchbelieferung, Fehlen von Gemüse- und Obstsäften völlig unzureichend. Die Stillfähigkeit der Mütter hat nachgelassen. Die Flaschenkinder sind häufig untergewichtig und wenig widerstandsfähig gegen Ernährungsstörungen und Infekte. Pneumonien wurden oft beobachtet. Die Sterblichkeit hat in den letzten Monaten zugenommen; als Hauptursache werden Pflegeschäden angenommen, da Baden und rechtzeitiges Trocknen der Windeln infolge Kohlenmangels nicht möglich war.

b) Kleinkinder: Die Kleinkinder sind mehr noch als 1945 untergewichtig, muskelschwach, leicht ermüdbar und anfällig gegenüber Hauterkrankungen und Tuberkulose. Fast alle Kinder leiden an erheblicher Anämie und haben ständig Hunger.

c) Schulkinder: Der Ernährungszustand ist durchschnittlich schlecht, das Aussehen meist blaß und abgespannt. Vielfach zeigen sich erhebliche Muskelschäden und Haltungsfehler. Die Kinder sind untergewichtig und ermüden schnell. Mangel an Konzentrationsfähigkeit wurde häufig festgestellt. Sehr oft treten Erkältungskrankheiten, Masern, Keuchhusten und Hautkrankheiten auf. 20% der Schulneulinge zeigen positive Moroprobe. Wegen Schuh- und Bekleidungsmangel fehlen fast täglich 10% der Schulkinder. Jugendliche und Erwachsene sind besonders anfällig gegenüber Krankheiten, sowie nervös und apathisch.

2. Wohnungsverhältnisse.

Die Wohnverhältnisse sind schlecht. Viele Kellerwohnungen bieten einen menschenunwürdigen Anblick. Durch Beschlagnahme für Behörden und durch äußerste Rationierung sind die Wohnungen klein und sehr beengt; oft schlafen mehrere Personen, auch Kranke, in einem Bett. Viele Wohnungen sind feucht und überbelegt, z. T. wohnen 8 Personen auf 2–3 kleinen Mansarden, 14 Personen in 3 kleinen Räumen, 4 Personen und Säugling in einem Raum. Auch sind noch viele Wohnungen baufällig, nicht wetterfest und ohne ausreichende Beleuchtung. Häufig fehlen Klosettanlagen, so daß Stuhl und Urin im Freien entleert werden müssen. Durch die strenge Winterkälte wirkte sich die Wohnungsnot besonders hart aus, zumal die meisten Wohnungen wegen Kohlenmangels nicht geheizt werden konnten. Das enge Beieinanderwohnen hat viele Krankheitsübertragungen und Zwistigkeiten verursacht. – Die Wohnverhältnisse bei Tuberkulosekranken sind verhältnismäßig noch ausreichend, da das Wohnungsamt bisher auf Lungenkranke bei Wohnungseinweisungen in unterbelegte Wohnungen Rücksicht genommen hat.

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