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Hirtenbrief, beschlossen von der Konferenz der katholischen Bischöfe Deutschlands in Fulda (23. August 1945)

Die katholische Kirche war im Dritten Reich durch massive antikirchliche Propaganda, die Schließung der katholischen Schulen und die Auflösung ihrer Jugendorganisationen unter großen Druck geraten. Der erste Hirtenbrief der katholischen Bischofskonferenz nach dem Ende des Krieges betont zunächst die oppositionelle Rolle der katholischen Kirche unter der NS-Herrschaft. Er erkennt aber auch an, dass zahlreiche Katholiken von den Verbrechen des Regimes wussten, sie tolerierten oder sogar aktiv an ihnen mitwirkten. Die Bischöfe fordern eine Rückbesinnung auf die christlichen Grundwerte in Deutschland, zu der auch die Wiedererrichtung katholischer Schulen beitragen soll.

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Die am Grabe des hl. Bonifatius versammelten Bischöfe Deutschlands entbieten dem Klerus und den Gläubigen ihrer Diözesen Gruß und Segen im Herrn.

Geliebte Diözesanen! Zwei Jahre lang war es uns wegen des tobenden Krieges nicht möglich, uns zu gemeinsamer Beratung zu versammeln. Wir vermissen bei dieser ersten Tagung nach Kriegsende schmerzlich den ständigen Vorsitzenden unserer Konferenz, Kardinal Bertram, Erzbischof von Breslau, der am 6. Juli des Jahres auf Schloß Johannesberg im Herrn entschlafen ist, nachdem er 25 Jahre unsere Konferenzen geleitet, 31 Jahre lang die Diözese Breslau verwaltet und fast 40 Jahre lang den Bischofsstab geführt hat. Wenn einmal die Schriftsätze und Eingaben veröffentlicht werden, die er, allein in den letzten 12 Jahren, in allen schwebenden Fragen an die Regierungsstellen eingereicht hat, wird die Welt staunen über den Weitblick und die Klugheit, mit der er auf der Wache stand und für die Rechte Gottes und seiner Kirche und zum Wohle aller Notleidenden und Gedrückten eintrat. Wir senden ihm einen Gruß inniger Dankbarkeit ins Grab nach und gedenken seiner in unseren Gebeten.

Trotz allen Wechsels der Zeitereignisse tagen wir an der alten heiligen Stätte, am Grabe des hl. Bonifatius, des Apostels der Deutschen. Wir tagen in demselben Glauben, den er unseren Vorfahren gepredigt hat; in der gleichen Treue gegenüber dem römischen Papste, mit dem er die deutsche Kirche aufs festeste verbunden hat. In diesem Glauben und in dieser Verbundenheit haben wir die feste Überzeugung, auf einem Felsen zu stehen, an den die Wogen wohl anprallen, den sie aber niemals unterhöhlen und zu Fall bringen können.

Unser erstes Wort sei ein Wort innigen Dankes an unseren Klerus und unsere Diözesanen für die unerschütterliche Treue, die sie der Kirche in schweren Zeiten gehalten haben.

Wir wissen, daß es für viele von euch nicht gefahrlos war, immer wieder Hirtenworte von uns zu vernehmen, die den Zeitirrtümern und Zeitverbrechen entgegentraten. Mit tiefem Interesse und innerer Anteilnahme sind Millionen und Millionen unseren Ausführungen gefolgt, wenn wir für die Rechte der Persönlichkeit eingetreten sind, wenn wir die Übergriffe des Staates in das kirchliche Leben zurückgewiesen haben, wenn wir von den unerhörten Bedrückungen sprachen, die durch Staat und Partei auf allen Gebieten des geistigen und religiösen Lebens ausgeübt wurden, wenn wir gegen Rassendünkel und Völkerhaß unsere Stimme erhoben haben. Wir wissen wohl, daß Angeber allüberall sich fanden, um euch in eurem Fortkommen, in eurem Aufstieg zu hemmen, wenn festgestellt werden konnte, daß ihr solchen Predigten gelauscht hattet.

Wir danken aus tiefstem Herzen euch christlichen Eltern, daß ihr mutig für die katholische Schule eingetreten seid allen Einschüchterungen und Drohungen zum Trotz, wenn auch schließlich der Kampf um euer Elternrecht nicht zum Erfolg geführt hat. Wir erinnern uns mit heiligem Stolze, wie in so vielen Gegenden das Kreuz, das von Frevlerhänden aus dem Schulzimmer entfernt worden war, wieder an seinen alten Platz gebracht wurde. Ihr hattet alle keinerlei irdische Macht, nur die Macht eurer Glaubensüberzeugung und eures Glaubensmutes.

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