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Wohnungsbauprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands für die westlichen Besatzungszonen (Mai/Juni 1949)

Nach den dramatischen Zerstörungen der deutschen Städte durch den Bombenkrieg und der Zuwanderung von Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem kommunistischen Machtbereich gehört der Wohnraummangel zu den drängendsten Problemen in Westdeutschland. Noch im Herbst 1950 fehlen neueren Berechnungen zufolge über 4,5 Millionen Wohnungen. In dieser Situation fordert die SPD ein staatlich geplantes und organisiertes Wohnungsbauprogramm, das innerhalb von vier Jahren bis zu einer Million neue Wohnungen schaffen soll. Das am 24. April 1950 in der Bundesrepublik verabschiedete Erste Wohnungsbaugesetz nimmt mit seiner herausgehobenen Förderung des Sozialen Wohnungsbaus die Vorschläge der SPD weitgehend auf.

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1. Warum „Plan A“?

Aufgabe der Planung ist es, sich ein Bild über die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten der Volkswirtschaft zu machen. Dabei können selbstverständlich immer nur einige wichtige Richtpunkte ins Auge gefaßt werden. Ein völliger Verzicht auf Planung würde aber bedeuten, daß man sich ohne Karte und Kompaß den Stürmen der Wirtschaftsentwicklung überläßt. Das kann kein verantwortungsbewußter Wirtschaftspolitiker wollen.

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2. Aufgabe und Programm

Soziales oder wirtschaftliches Bauprogramm?

Plan A der Sozialdemokratie umreißt ein soziales Bauprogramm, das den ersten Schritt zur Überwindung des Wohnungsmangels bilden soll. Dieses Programm umfaßt die Bereitstellung von 750.000 bis 1.000.000 Wohnungen in vier Jahren. Die Gesundung unserer Volkswirtschaft, insbesondere die Steigerung der Leistungskraft unserer Ausfuhr und die Entwicklung der Grundstoffindustrien, hängt von einem intensiven Wohnungsbau ab. Ohne die Heranbringung der erforderlichen Arbeitskräfte an die Produktionsstätten kann die Produktion nicht ausreichend entwickelt werden. Nur so kann auch endlich den Heimatvertriebenen und Ausgebombten wieder eine menschenwürdige Existenz geschaffen werden. Die soziale und wirtschaftliche Seite dieses Programms sind so eng miteinander verknüpft, daß sie nur verschiedene Anblicke desselben Zieles darstellen.

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3. Der Wohnungsbau im Rahmen der Volkswirtschaft

Die Konkurrenz der Investitionszwecke

Mit dem Nachweis, daß die materiellen Voraussetzungen für die Durchführung eines sozialen Wohnungsbauprogrammes gegeben sind, ist es nicht getan. Auch der weitere Nachweis, daß die Finanzierung eines solchen Programmes möglich ist, ist keine ausreichende Begründung für die Notwendigkeit seiner Durchführung. Es kommt vielmehr noch ganz drauf an, ob es volkswirtschaftlich überhaupt vertretbar ist, dem Wohnungsbau eine entscheidende Rolle im Rahmen der gesamten Aufbauplanung zuzugestehen.

Mechanistisches oder organisches Wirtschaftsdenken?

Oberstes Gebot der Wirtschaftspolitik muß zweifellos sein, die verfügbaren Arbeitskräfte, Produktionsmittel und Rohstoffe so rationell wie nur irgend möglich zu verwenden. Es ist eine schwerwiegende Frage, ob z.B. das verfügbare Eisen im Bergbau, im Verkehrswesen, im Maschinenbau, in der Konsumgüterindustrie oder im Wohnungsbau zum vorwiegenden Einsatz kommen soll. Überlegungen dieser Art bewegen sich aber noch zu sehr auf den ausgetretenen Pfaden der mechanistischen Rohstoffplanung des Dritten Reiches. Die Menschen zum Kriegführen waren so reichlich vorhanden, wie noch nie in der deutschen Geschichte. Nur die Rohstoffe waren knapp und mußten immer schärfer „verplant“ werden. Von diesem einseitigen Rohstoffdenken sind wir auch nach dem Kriege noch nicht richtig losgekommen; wir müssen aber wieder den Menschen in den Mittelpunkt unseres Denkens stellen. Wir müssen uns endlich dessen bewußt werden, daß wir nicht mehr für den Krieg, sondern für den Frieden arbeiten. Auch von seiten der Besatzungsmächte ist diese Wendung durch den Marshallplan vollzogen worden. Diese geistige Sinnesänderung führt ganz von selbst zu einer anderen Auffassung der volkswirtschaftlichen Planung. Wir wollen nicht mehr, wie im Kriege, von außen her unserer Volkswirtschaft ein brutales Programm aufzwingen, sondern wir wollen im Frieden für den Frieden und die Wohlfahrt des Volkes planen.

Die entscheidenden volkswirtschaftlichen Mißverhältnisse

Volkswirtschaftliche Gesundheit in diesem Sinne ist die Harmonie der volkswirtschaftlichen Kräfte. Wenn wir nun fragen, von welcher Seite die Harmonie heute am meisten gestört wird, dann gibt es nur eine Antwort: Die schlimmsten Mißstände liegen heute – materiell, seelisch und sittlich – in der Vernichtung der Existenzgrundlage von Millionen Menschen durch die Kriegszerstörungen und durch die Ausweisungen.

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