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Jazzdiskussion in der DDR (1955)

Dieses Protokoll einer Diskussion zwischen Reginald Rudorf und Verantwortlichen des Kulturministeriums und des VdK vom April 1955 wurde wahrscheinlich vom Abteilungsleiter der Hauptabteilung Musik im Kulturministerium Uszokoreit (uk) verfaßt. In dieser Debatte versuchte Rudorf, die Verantwortlichen von der Bedeutung des „echten“ Jazz für eine neue deutsche Tanzmusik und vom Antifaschismus der Jazzfans zu überzeugen. Anlaß war eine Vorlage, die Rudorf an das Kulturministerium gerichtet hatte, offenbar um die Verbreitung des Jazz und die Anerkennung von Jazzklubs in der DDR zu sichern und Kontakte mit westdeutschen Jazzfans zu rechtfertigen.

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Jazzdiskussion

zu der Vorlage des Kollegen Rudorf an Ministerium für Kultur am 7. April 1955 in Berlin

Beginn: 11. Uhr
Anwesend: die Kollegen

Prof. Knepler
Siegmund-Schultze
Dr. Rebling
Prof. Notowicz
Spies
Schwaen
Forest
Masanetz

zeitweilig:

Möller
Müller
Rudorf
Ulbrich, Defa
Bartsch, Defa
Lukacz
Berenbrock
Bormann
Folkmann, Min. f. Kultur
Fischer,
Hartfeldt, DSV
Sasse, VdK Halle
Dr. Glücksmann, AWA
Morche,
Seeger, Neues Deutschland
Lahl, ZK der SED
Watzinger, Dt.Konz.u.Gastspieldir.
Uszokoreit

Prof. Knepler, der als erster das Wort ergreift, hält die Thesen von Koll. Rudorf für falsch, mehr noch, für gefährlich. Die Einteilung in echten und kommerziellen Jazz ist willkürlich. Jazz, der eine fortschrittliche Entwicklung für unsere Tanzmusik haben kann, gibt es nicht. Natürlich gibt es eine Volksmusik der Neger. Aber damit haben wir uns nicht in erster Linie zu beschäftigen, sondern erst einmal das amerikanische Volk. Es ist sicher eine Aufgabe, auch Negermusik zu pflegen, ebenso wie man englische, französische und indische Volksmusik pflegen sollte, wobei bei uns unsere deutsche Volksmusik im Vordergrund steht.

Kollege Forst schließt sich der Meinung von Kollegen Prof. Knepler an. Er ist der Meinung, daß in Deutschland nicht nach russischer oder Negermusik getanzt werden sollte, sondern nach deutscher Tanzmusik. Sie muß gefunden und erarbeitet werden. Ausweg kann nicht sein, daß wir auf fremde Folkore zurückgreifen. Zu den Vorschlägen von Koll. Rudorf, Hot- oder Boogie-woogie-Clubs zu bilden: Wir haben in Deutschland weder Clubs für russische Tänze, englische Tänze. Wir haben aber ein Zentralhaus für Volkskunst. Dort können sicher auch Abende mit ausländischen Volkstänzen und -liedern veranstaltet werden, darunter natürlich auch über die Volkskunst der Neger.

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