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Bericht des Kommissars bei der Reichsbank (10. Dezember 1928)


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Schlußbetrachtungen.

Mit diesem Bericht wird eine vierjährige Periode abgeschlossen. Beim Vergleich der jetzigen Lage mit der vor vier Jahren ist ein sehr großer Fortschritt zu konstatieren sowohl hinsichtlich der Entwicklung des Wirtschaftslebens im allgemeinen als in der Lage der Reichsbank im besonderen.

Eine tiefgreifende Reorganisation und Rationalisierung des Wirtschaftslebens hat stattgefunden; die Lebenshaltung der großen Masse der Bevölkerung hat sich bedeutend gehoben und hat für einen großen Teil der Arbeiterbevölkerung das Vorkriegsniveau wieder erreicht oder übertroffen. Die starken Konjunkturschwankungen der ersten Jahre haben einem ruhigeren Verlauf Platz gemacht, und eine zunehmende Widerstandskraft tritt deutlich an den Tag. Diejenigen, die seinerzeit, als nach der sehr günstigen Konjunktur des vorigen Jahres Symptome einer gewissen Abbröckelung sich zu zeigen begannen, eine baldige und ernste Depression voraussagten, haben diese Widerstandskraft unterschätzt.

Es gibt jedoch im Wirtschaftsleben noch wichtige Gebiete, die in dem allgemeinen Gesundungsprozeß nicht genügend Anteil gehabt haben. Sollte die allgemeine Konjunktur sich tiefgreifend verschlechtern — Anzeichen einer solchen Verschlechterung sind augenblicklich nicht feststellbar — dann würde dies vermutlich deutlich erkennbar werden.

Weniger günstig als im übrigen Wirtschaftsleben — obschon hier und da eine Besserung festgestellt werden kann — bleibt die Lage in der Landwirtschaft, wo die Möglichkeiten, den hohen Zinsfuß innerhalb der Betriebe selber zu kompensieren oder aber die hohen Zinslasten auf den Konsumenten abzuwälzen, bedeutend geringer sind.

Der hohe Zinsfuß und das darin zum Ausdruck kommende Mißverhältnis, das noch immer zwischen Angebot und Nachfrage nach Kapital besteht, bilden die Schattenseite des Bildes, welche das Wirtschaftsleben Deutschlands in diesen Jahren aufgewiesen hat.

Es war vorauszusehen, daß nach dem Kriege und der dann folgenden Inflation ein starker Bedarf an neuem Kapital auftreten würde sowohl zur Verbesserung des Produktionsapparates als auch für öffentliche Zwecke. Vieles ist in diesen Jahren erreicht worden. Der vielfach modernisierte Produktionsapparat verschafft rund 4 Millionen Arbeitenden mehr Arbeit, als es vor dem Kriege innerhalb desselben Gebietsumfangs der Fall war, und eine große Anzahl von lange Zeit unbefriedigt gebliebenen öffentlichen Bedürfnissen hat inzwischen befriedigt werden können. Der Preis hierfür ist jedoch eine zusätzliche jährliche Zinsenlast dem Auslande gegenüber, die jetzt eine halbe Milliarde Reichsmark sicher bedeutend übersteigt. Insoweit die Kalkulationen, auf Grund deren die Wirtschaft diese Anleihen aufgenommen hat, sich auf lange Sicht als richtig herausstellen werden, wird diese neue Last keinen vermehrten Druck bedeuten. Ein Teil dieser aufgenommenen Anleihen ist jedoch ohne Zweifel nicht in diesem Sinne produktiv.

In Anbetracht der großen Bedeutung, welche die Frage nach der weiteren Entwicklung der Lage am deutschen Kapitalmarkt für das Wirtschaftsleben Deutschlands hat, ist es wünschenswert, auf diese Frage etwas näher einzugehen. Eine eindeutige Antwort kann nicht gegeben werden, aber es können einige Elemente näher bezeichnet werden.

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