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Oswald Spengler über die Gegenrevolution (1922)

Oswald Spengler (1880-1936) war ein eigenwilliger Konservativer sowie einer der Hauptgegner der Weimarer Republik. Er ist hauptsächlich als Autor der weithin populären, zweibändigen Abhandlung Der Untergang des Abendlandes bekannt. Spengler sah bereits zum Zeitpunkt der Ausrufung des Freistaats Bayern durch Kurt Eisner in München am 7. November 1918 eine Gegenrevolution voraus. Durch die gesamten 1920er Jahre hindurch stellte Spengler in seinen öffentlichen Schriften die Weimarer Republik als einen kontinuierlichen Zustand der Niederlage dar. Sein Werk wurde Teil des von den Nationalsozialisten absorbierten und zu Propagandazwecken eingesetzten Gedankenguts.

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Ich habe die widerlichen Szenen vom 7. November [1918 in München] zum Teil aus der Nähe erlebt und bin vor Ekel beinahe erstickt. Und dann die Art, wie Kaiser Wilhelm fortgejagt wurde, wie jeder Lumpenhund sich herausnimmt, dem Manne Kot anzuwerfen, der 30 Jahre lang selbstlos und aufopfernd an der Größe Deutschlands mitgearbeitet hat. Ich weiß sehr wohl, daß der Pöbel in anderen Ländern über alle Maßen gemein ist, aber ob er uns in seiner Gemeinheit erreicht? [ . . . ] Ich sehe, daß die deutsche Revolution den typischen Verlauf nimmt, langsamer Abbau der bestehenden Ordnung, Sturz, wilder Radikalismus, Umkehr. Denn was uns heute Hoffnung gibt, ist die Gewißheit, daß die Monarchie gestärkt aus dieser Krise hervorgehen wird; [ . . . ] wir müssen wie das Frankreich von 1793 das Unglück bis zu Ende durchmachen; wir brauchen eine Züchtigung, gegen die die vier Kriegsjahre noch harmlos sind, bis die Zeit für die kleine Gruppe gekommen ist, die 1813 wie 1870 zur Führung berufen war: preußischer Adel und preußisches Beamtentum, die Tausende unserer Techniker, Gelehrten, Handwerker, Arbeiter mit preußischen Instinkten; bis vor allem auch der Terror eine solche Empörung und Verzweiflung angesammelt hat, daß eine Diktatur, irgend etwas Napoleonisches, allgemein als Erlösung empfunden wird. Aber dann muß Blut fließen, je mehr desto besser.



Quelle: Oswald Spengler, „, . . . bin vor Ekel beinahe erstickt‘ – frühe Konturen der Gegenrevolution“, in Weimar: Ein Lesebuch zur deutschen Geschichte 1918-1933, herausgegeben von Heinrich August Winkler und Alexander Cammann. München: C.H. Beck, 1997, S. 57-58.

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