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Stefan George, „Der Krieg” (1917)

Viele der im Das neue Reich enthaltenen Gedichte wurden ursprünglich zwischen 1914 und 1919 in Blätter für die Kunst veröffentlicht. Die Literaturzeitschrift wurde 1892 von Stefan George gegründet und diente als vertrauliches Forum für Dichter und ähnlich-gesinnte Intellektuelle, welcher später als George-Kreis bekannt wurden. Die Blätter für die Kunst erklärten: „Die name dieser veröffentlichung sagt schon zum teil was sie soll: der kunst besonders der dichtung und dem schrifttum dienen, alles staatliche und gesellshaftliche ausscheidend.“ Die letzte Ausgabe erschien 1919.

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Der Krieg


Wie das getier der wälder das bisher
Sich scheute oder fletschend sich zerriss
Bei jähem brand und wenn die erde bebt
Sich sucht und nachbarlich zusammendrängt:
So in zerspaltner heimat schlossen sich
Beim schrei der krieg die gegner an .. ein hauch
Des unbekannten eingefühls durchwehte
Von schicht zu schicht und ein verworrnes ahnen
Was nun beginnt ... Für einen augenblick
Ergriffen von dem welthaft hohen schauer
Vergass der feigen jahre wust und tand
Das volk und sah sich gross in seiner not.

Sie kamen zu dem Siedler auf dem berg:
>Liegst du noch still beim ungeheuren los?<
Der sprach: dies frösteln war das edelste!..
Was euch erschüttert ist mir lang vertraut •
Lang hab ich roten schweiss der angst geschwizt
Als man mit feuer spielte .. meine tränen
Vorweg geweint .. heut find ich keine mehr.
Das meiste war geschehn und keiner sah..
Das trübste wird erst sein und keiner sieht.
Ihr lasst euch pressen von der äussern wucht..
Dies sind die flammenzeichen • nicht die kunde.
Am streit wie ihr ihn fühlt nehm ich nicht teil.

Nie wird dem Seher dank .. er trifft auf hohn
Und steine • ruft er unheil - wut und steine
Wenn es hereinbrach. Angehäufte frevel
Von allen zwang und glück genannt • verhehlter
Abfall von Mensch zu Larve heischen busse..
Was ist ihm mord von hunderttausenden
Vorm mord am Leben selbst? Er kann nicht schwärmen
Von heimischer tugend und von welscher tücke.
Hier hat das weib das klagt, der satte bürger •
Der graue bart ehr schuld als stich und schuss
Des widerparts an unsrer söhn und enkel
Verglasten augen und zerfeztem leib.

Sein amt ist lob und fem • gebet und sühne •
Er liebt und dient auf seinem weg. Die jüngsten
Der teuren sandt er aus mit segenswunsch..
Sie wissen was sie treibt und was sie feit..
Sie ziehn um keinen namen - nein um sich.
Ihn packt ein tiefres grausen. Die Gewalten
Nennt er nicht fabel. Wer begreift sein flehn:
>Die ihr die fuchtel schwingt auf leichenschwaden,
Wollt uns bewahren vor zu leichtem schlusse
Und vor der ärgsten • vor der Blut-schmach!< Stämme
Die sie begehn sind wahllos auszurotten
Wenn nicht ihr bestes gut zum banne geht.

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