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Der Krieg fängt an – Prager Fenstersturz (Mai 1618)

Im Mai 1618 trafen sich die protestantischen und hussitischen Stände in Prag, um über die von ihnen empfundene Einmischung des Kronprinzen Ferdinand in böhmische Angelegenheiten allgemein – und in Belange der konfessionellen Koexistenz im Besonderen – zu beraten. Während eines versuchten Staatsstreichs unter der Führung des protestantischen Grafen Heinrich Matthias von Thurn (1567-1640) drangen bewaffnete Söldner in den Amtssaal des Prager Schlosses ein. Sie griffen zwei katholische Statthalter heraus, Jaroslav Borzita von Martinicz (1582-1649) und Wilhelm Slawata (1572-1652), beschuldigten sie der Verschwörung gegen die Religionsfreiheit in Böhmen und warfen die beiden sowie einen Sekretär aus dem Fenster. Diese Handlung war eine bewusste Anspielung auf den ersten Prager Fenstersturz von 1419, bei dem sieben Stadtbeamte aus einem Burgfenster geworfen wurden.

Der Aufstand weitete sich aus, als die durch Hussiten und Protestanten kontrollierten böhmischen Stände eine provisorische Regierung bildeten. Sie begannen, in den protestantischen Ländern Europas nach Verbündeten zu suchen und Maßnahmen zur Unterdrückung des Katholizismus zu ergreifen. Im Mai 1619 verschärfte sich die Krise durch den Tod Kaiser Matthias (reg. 1612-19) und die Thronfolge des Kronprinzen Ferdinand sowohl in Böhmen als auch im Reich als Kaiser Ferdinand II. (reg. 1619-37). Der Konflikt eskalierte nun zum Krieg. Ferdinand wurde zum Kaiser gewählt, doch die Aufständischen setzten ihn zugunsten des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz (1596-1632) ab, der nun zum böhmischen König gekrönt wurde. Die Kriegshandlungen bleiben derweil unentschieden, bis die kaiserlichen Truppen gemeinsam mit denen des katholischen Sonderbunds die Aufständischen in der Schlacht am Weißen Berg (8. November 1620) niederschlugen. Es war die erste Schlacht des Dreißigjährigen Krieges.

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Den 23. Mai am Mittwoch in Vigilia Ascensionis Domini nachdem die vier Herren Statthalter aus der Hauptkirche Sti Viti nach allda verrichter Procession und abgehörter heiligen Messe, früh 8 1/2 Uhr in die Behaimbische Canzlei ankommen seind, als haben sie bald alle Stühl und Bänken außer einen einigen Sessel mit Fleiß gelassen waren aus der Canzlei hinaustragen
[ . . . ], damit für die ankommenden Herren sub utraque genug Raum sein möchte, da seind etwa nach 9 Uhr die Herren aus allen dreien Ständen sub utraque mit ihren Dienern und Gesind in sehr großen Menge in Ihro kais. Mit Prager Schloß [ . . . ] in die Böheimbische Canzlei und zwar in die Ratstube, wo die größte Sicherheit und Respekt sein sollte, unangemeldet, gar keck, mit großer Importunitet eingetreten, also daß gemeldete Canzlei fast allein von denen Herren- und Ritterstandspersonen ganz voll gewesen, die Burger aber meistenteils draußen vor der Tür, welche deshalben auch ganz ofen bleiben müssen, gestanden.

Als nun die damals nur 4 gegenwärtige Herren Statthalter wegen besseren Raums in einen Fensterwinkel gleich bei dem Ofen beisammen gestanden und verhoffet, es wurden von Ihnen sub utraque eine Antwort auf Ihro kais. Mt ihnen am Montag vorhero abgelesenes copail. communicirtes Schreiben, darinnen sie nochmalens von der zum andermahl angestellten Zusammenkunft, ganz glimpflich bis auf Ihro kais. Mt Ankunft oder weitere Verordnung abgemahnt worden, damals erfolgen.

Haben sie anstat dessen alsbald durch den Herrn Paul von Rziczan eine Schrift mit heller Stim ablesen lassen dieses ungefährten Inhalts: Nachdem Ihro kais. Mt Ihro Gnaden Herren Statthaltern ein scharfes Schreiben zugeschickt, dessen sie Uns nach Verlesung des Originals auch die Copay gebetenermassen erteilet haben, in welchen sich auf unserer aller dreier Ständen sub utraque höchst erschröckenden Schreiben Ihro Mt allbereits uns alle des Leibs und der Ehre verlustig erklären. Samt sie schon nur allein mit der Execution wider uns fortfahren wolten, deshalben haben wir uns miteinander darauf einhellig vergliechen und bei Verlust Leib und Leben, Ehre und Gut verbunden, daß wir alle beisammen vor einen Mann und einer vor alle festiglich stehen, diesfalls keiner rechtlichen Bekanntnuss erwarten, oder untergeben sein, sondern treulich einander helfen und wider männiglich auf das äußerste beschirmen. Weilen aber kundbar, daß solches Schreiben auf etlicher unserer Religions-Feinde Beratschlagung beschehen, als wollen wir wissen und die anwesende Herren Statthaltere befragt haben, ob sie, oder etliche aus ihnen, von gemeltem Schreiben gewußt, dazu geraten und dasselbig approbirt hätten.

Darauf der Obristburggraf geantwortet, weilen denen Herren Statthaltern, so eine geringe Anzahl derselben in der Böhmischen Kanzlei sein, auch sonsten noch einer aus ihrer Mitte, nemlich Herr Adam von Waldstein, obrister Landhofmeister, sich allda zu Prag in seinem Haus krank liegend befinde, als hätten sie die Herren, aus allen 3 Ständen sub utraque, wollten ihnen die abgelesene Schrift der Copay derselben zustellen, damit sie solche gemeltem Landhofmeister auch notificiren und samt ihm beratschlagen können, sie wollten am nächst kommenden Freitag (weilen Morgen ein großer Feiertag wäre) darauf ihnen wiederum gebührliche Antwort zu geben, nicht unterlassen.

Hierauf haben etliche, als Herr Heinrich Mathes Graf Thurn, Herr Leonhart Colon von Fels und Wilhelm der ältere Popel von Lobcowicz einer um den anderen zu denen Statthaltern also geredet: Na, na, wir wollen damit nicht content sein, was darf man uns aufziehen und auf des Herrn Landeshofmesters weisen, mit welchem wir gar wohl zufrieden sein und gewiß wissen, daß er nicht wider uns sondern ein frommer Mann und unser Freund ist, wir wollen es fluchs wissen [ . . . ] Da sprachen die obgemelte drei Herren durcheinander: Können wir doch selbst darnach, wenn es uns gefällig, den Herrn Landhofmeister darum befragen, aber wir wollen von Euer Gnaden vieren zuwesenden jetzt darauf clare Antwort haben.

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