GHDI logo


Ein neoliberaler Kommentator fordert die Befreiung der deutschen Universitäten (5./12. August 2002)

Um sie intellektuell innovativer und international wettbewerbsfähig zu machen, plädiert der Direktor des Gütersloher Centrums für Hochschulentwicklung, Detlef Müller-Böling, für die Befreiung der deutschen Universitäten von ihren bürokratischen Fesseln.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 2


Die Hochschule aus ihren „Fesseln“ lösen

Seit Mitte der 90er-Jahre werden an Deutschlands Hochschulen vielerlei Reformen diskutiert, Gesetze geändert und neue Instrumente der Hochschulsteuerung erprobt – überwiegend sinnvolle Ansätze, die jedoch oft nicht miteinander verzahnt und aufeinander abgestimmt sind. Im (hochschul-)politischen Diskurs werden immer wieder Einzelmaßnahmen zu Allheilmitteln stilisiert, die die Hochschulen wettbewerbs- und zukunftsfähig machen sollen. Juniorprofessur, leistungsbezogene Professorenbesoldung, Globalhaushalte und Studiengebühren sind aktuelle Stichworte.



Greifen können all diese Maßnahmen jedoch nur, wenn sie auf der Grundlage einer ganzheitlichen Sichtweise sowohl der Hochschule als Institution als auch des Hochschulsystems betrieben werden. Die Herausforderungen an das Hochschulsystem – Anstieg der Studentenzahlen, internationaler Wettbewerb, rapider wissenschaftlicher Fortschritt, Mittelknappheit und vieles mehr – erfordern eine erhöhte Handlungsfähigkeit der Hochschulen. Daher ist das Leitbild der Reformen in einer „entfesselten Hochschule“ als Ziel- und Bezugsrahmen zu suchen. Es gilt, die korporative Autonomie der Hochschule als Institution in den Mittelpunkt zu stellen und zu behaupten sowohl gegen Partial- und Gruppeninteressen im Innern als auch gegenüber überzogenen Kontrollansprüchen des Staates.

Die Hochschule ist als eigenständiger Akteur, als „corporate entity“ zu begreifen, deren Handlungs- und Steuerungsfähigkeit innerhalb eines wettbewerblichen Systems zu stärken gilt.

Korporative Autonomie

Ausgehend von einem solchen Leitbild ergeben sich notwendige Reformschritte in fast allen die Hochschule betreffenden Bereichen, vom Hochschulzugang über Hochschulfinanzierung, Leitungs- und Organisationsstrukturen, dem Personalbereich bis hin zu Qualitätssicherung und Strategiebildung.

Aus dem Ziel der Stärkung der korporativen Autonomie der Hochschulen ergibt sich insbesondere die Notwendigkeit der Finanz- ebenso wie der Organisations- und Personalautonomie. Organisationsautonomie erfordert neue Leitungsstrukturen, die sowohl die Willensbildung innerhalb der Hochschule als auch ihr Verhältnis zum Staat neu organisieren. Der Hochschulleitung fällt dabei die zentrale Managementaufgabe zu, die Hochschule orientiert an einem Leitbild strategisch und operativ zu steuern.

Im Rahmen der Profilbildung werden unter Beteiligung aller Angehörigen der Hochschule Schwerpunkte definiert, welche wiederum nur umsetzbar sind, wenn die interne Mittelverteilung sich daran orientiert. Dies wiederum ist nur im Rahmen eines Globalhaushaltes möglich. Die Leistungsbesoldung der Professoren kann nur als Instrument zur Profilbildung greifen, wenn die Entscheidungsbefugnisse und Gestaltungsspielräume bei den Hochschulen liegen.

Staatliche Detailsteuerung, etwa in Form einheitlicher formelhafter Berechnung von Leistungszulagen, kann nur kontraproduktiv wirken. Um dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit gerecht zu werden, müssen die Hochschulen in der Lage sein, die anfallenden Kosten in Bezug zu den (nicht zuletzt akademischen) Leistungen zu setzen und in Form von Kennzahlen als Entscheidungsgrundlage zu verwenden. Zahlreiche Hochschulen in Deutschland sind bereits dabei, eine Kosten-Leistungsrechnung einzuführen und ein „akademisches Controlling“ aufzubauen.

Profilbildung einzelner Institutionen führt zu einer stärkeren Differenzierung nach Aufgaben und Qualität im Gesamtsystem, so dass ein Wettbewerb entsteht. Ein sinnvoller Wettbewerb um Qualität in Forschung und Lehre erfordert Transparenz der von den Hochschulen erbrachten Leistungen sowie die freie Wahl der Studierenden durch die Hochschule und der Hochschulen durch die Studierenden. Eine zentrale Vergabe von Studienplätzen kann Qualitäts- und Profilkriterien nicht hinreichend berücksichtigen. Durch eine nachfragerorientierte Finanzierung der Hochschulen nach dem Prinzip „Geld folgt Studierenden“ und sozial verträglich gestaltete Studiengebühren wird der Wettbewerb um Studierende mit finanziellen Anreizen versehen.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite