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Kaiser Wilhelm II über seine Abdankung (Rückblick 1922)


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Am Morgen des 9. November ließ mir der Reichskanzler Prinz Max von Baden nochmals, wie schon am 7., mitteilen, die Sozialdemokraten, auch die sozialdemokratischen Staatssekretäre, verlangten meine Abdankung. Derselben Ansicht seien nun auch die übrigen Mitglieder der Regierung geworden, die bisher noch dagegen gewesen seien. Ebenso stehe es bei den Mehrheitsparteien im Reichstage. Er bitte mich daher, sofort abzudanken, da sonst in Berlin umfangreiche Straßenkämpfe mit Blutvergießen zu erwarten seien; im kleinen hätten solche schon begonnen.

Ich berief sofort den Feldmarschall v. Hindenburg und den Generalquartiermeister General Groener. Dieser meldete wiederum, die Armee könne nicht mehr kämpfen und wolle vor allem Ruhe, daher müsse unbedingt jeder Waffenstillstand angenommen werden. Dieser müsse sobald als möglich abgeschlossen werden, da die Armee nur noch für 6–8 Tage Verpflegung habe und durch die Aufrührer, die alle Verpflegungsmagazine und Rheinbrücken besetzt hätten, von jedem Nachschub abgeschnitten sei. Unbegreiflicherweise habe die aus Berlin nach Frankreich entsandte Waffenstillstandskommission – Erzberger, Gesandter Graf Oberndorff, General v. Winterfeldt –, die vorgestern abend die französischen Linien passierte, bisher keine Mitteilung über den Inhalt der Bedingungen in das Hauptquartier gelangen lassen.

Auch der Kronprinz mit seinem Chef Graf Schulenburg traf ein und nahm an der Beratung teil. Während unserer Besprechungen kamen mehrere telephonische Anfragen des Reichskanzlers, die stark drängten unter der Mitteilung, daß die Sozialdemokraten aus der Regierung ausgeschieden wären und daß Gefahr im Verzuge sei. Der Kriegsminister meldete: Unsicherheit bei Teilen der Truppen in Berlin; die 4. Jäger, 2. Kompagnie des Alexanderregiments, 2. Batterie Jüterbog seien zu den Aufständischen übergegangen; kein Straßenkampf.

Den Bürgerkrieg wollte ich meinem Volke ersparen. Falls meine Abdankung tatsächlich das einzige Mittel war, um Blutvergießen zu verhindern, so wollte ich der Kaiserwürde entsagen, nicht aber als König von Preußen abdanken, sondern als solcher bei meinen Truppen bleiben. Denn die militärischen Führer hatten erklärt, die Offiziere würden im Falle meiner völligen Abdankung in Massen abgehen und das Heer werde dann führerlos auf das Vaterland zurückströmen und es schädigen und gefährden.

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