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Die Beschwerden der bäuerlichen Untertanen – Kempten (Oberschwaben) (1492)

Die drei bestimmenden Faktoren des Kleinbauerntums waren Land, Heirat und Freizügigkeit. Die Fürstabtei Kempten, eine der wohlhabendsten des Heiligen Römischen Reiches, war in eine ungewöhnliche hohe Zahl von Konflikten mit ihren Untertanen verstrickt. Die Situation wurde durch die angespannten Beziehungen des Fürstabts zur reichsfreien Stadt Kempten sowie durch die Zuständigkeit dreier verschiedener Gerichtsbarkeiten für verschiedene Teile der Bauernbevölkerung zusätzlich erschwert. Der Schlussparagraph dieses Dokuments veranschaulicht die fundamentale Ungleichheit der beteiligten Parteien, hinter der die für diese Epoche durchaus übliche Gewaltandrohung des Fürsten gegenüber seinen Untertanen steht. Das in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts einsetzende Bevölkerungswachstum verursachte eine Vielzahl sozioökonomischer Probleme für die Landbevölkerung. In Oberschwaben reagierten die Fürsten darauf, indem sie frühere Formen der Abhängigkeit wiedereinzuführen versuchten – Historiker sprechen in diesem Zusammenhang von der „zweiten Leibeigenschaft“. Die Bauern wiederum versuchten, ihre Freiheiten zu schützen und erweitern. Dieses Dokument gewährt einen ungewöhnlich guten Einblick in die verschärften Lebensbedingungen, welche zum Deutschen Bauernkrieg von 1525 führten.

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Item die nachgeschriben Clagstuck und Artikel hand des Gotzhus Kempten Armlut zu irem g. H. von Kempten zu elagen und zu sprechen, darumb si sich dann zusamen versamelt haben gehapt.

[1] Des ersten vermainten wir uns beschwert ze sin der Stur und des Raisgelts halben. Nachdem der Gestiftbrief inhalt und ausweist, das ain Herr und Abt von Kempten uns bi demselben Gestiftbrief beliben lassen sol und nit weiter staigen noch tringen, uber das alles so laßt der Abt, u. g. H., uns bi solicher Stur und unsern Gelupten, so wir tun mussen, nit beliben und tut uns weiter und mer uflegen on unser Wissen.

2. der frien Zinser halb, die je und allwegen irn freien Zug gehapt haben und noch hinfur haben sollen nach Lut irer Frihait. Bi solicher irer Frihait will si ir g. H., der Abt von Kempten, nit beliben lassen und tut si fahen, turnen, stoken und blöcken und si zu unbillichen Beschribungen nöten, zwingen und tringen, das si sich verschriben mussen, von dem Gotzhus nit ze weichen und ze stellen, auch kainen andern Schirmherren an sich ze nemen, dann allein hinder im und dem Gotzhus zu beleiben, das doch wider ir Frihait ist und wider die Frihaitsbrief und die Gestift; und strauft den Zinser an sinem Lib und benugt in nit, so straft er si an irem Gut, auch etlichen umb 40 fl. oder umb 60 fl., nach dem und er hat.

3. der aignen Lut halben vermainen si sich beschwert ze sin also. Nachdem ir g. H. von Kempten, wann ainer oder aine mit Tod abgat, der oder die eliche Kind hinder in verlassent, so tut ir g. H. des abgegangnen und erstorbnen Gut glich halb zu sinen Handen nemen. Wann ir ains oder si baide mit Tod abgangen sind, so tut er das Gut zn sinen Handen nemen. Wann auch ainer oder aine mit Tod abgat, der oder die kain Libserben hinder in verlassent, so niempt er ir verlassen Gut gar zu sinen Handen und die Geschwistergit enterbt er und die andern Erben auch, das doch frömbd und unbillich, auch wider ir alts Herkomen ist und in aller Landschaft nit erhort ist worden.

4. so erclagen si sich und vermainen sich beschwart ze sin ab dem, das vor nie gewesen und erhart worden ist, wann ain frier Zinser ain aigne Tochter oder ain frie Tochter ain eigen Mann zu der Ee nimpt, das er oder si sich dem Aigen nach auch zu Aigen ergeben mussen, auch kain Strauf darauf nie gesetzt noch gestanden ist.

5. so tut er sinen Aigen, auch den frien Zinsern verbieten, das si ire aigne Guter, die si hand, aus der Herrschaft nit verkaufen, noch auch kain Zins und Gulten darus nit verkaufen noch darein nit schlahen sollen, dann allain den Sinen das zu kaufen geben; und mussen also bi solichen iren gelegenen Guten verderben und grosse Nott laiden.

6. so verbut er sinen aigen Luten und auch den Zinsern, das ir kainer Vich an kain Gemaind oder Alb annem noch zu im stellen sol ausserhalb der Herrschaft.

(6a) Item wann ainem ain Gut verlihen wird, so vermainen si, man sol si das bruchen lassen, si und ire Sun, si haben Weiber oder nit, alle die Weile der Vater lebt.

7. der von Guntzburg halb. Nachdem zwischen irem g. H. und ir durch Herr Marquarten von Schellenberg ain Bericht beschehen ist, also das die von Guntzburg irem g. H. dem Abt 30 Pfund H. geben sollen, als si auch getan hand und er si auch dargegen bi irem altem Herkomen beleiben lassen sol hinfur in allen Stucken und Artikeln, dem derselbig ir g. H. in vil Stucken und Artikeln, die si muntlich, wann es ir Notturft erhaischen wird, wol erzellen kunden, nit nachkomen ist.

8. von der Fravel wegen, so vermainen si, si sollen kainen Urtailen und Gerichten nit weiter noch höher gedrungen werden umb die Fräflinen, dann wie von alter Herkommen ist.

Von der obgeschriben und ander artikel halb, die nit beschrieben sind, ist die Landschaft versamelt zusamen komen, und hand von irer Beschwarnus wegen zu einem Convent des Gotzhus Kempten ir Leut und Botschaften darzu verordnet geschickt, Red mit in ankert und ain solich Bett tan, das man si beliben laussen soll bi iren Frihaiten, auch bi irem altem Herkomen, auch ir Gerechtigkaiten und bi dem Gestift- und Frihaitsbriefen, was die mit irer Inhaltung begreifung, so wöllent si herwiderumb im und dem Gotzhus zu allen zimlichen und gepurlichen Sachen mit Laib und Gut verhelfen, warzu er Recht hat.

Uf solich ir Zusamentun sien si etlich Tag versamelt bi ainander beliben. Da si zu in komen [ . . . ] Herr Marquart von Schellenberg und Herr Hanns von Fruntsperg, baid Ritter etc., und Ott Zwicker, Burger zu Memingen, und hat Her Hans von Fruntsperg ain soliche Red mit in ankert, als si das Recht darboten und furgeschlagen hand, er si nit da von Rechtens wegen und wöll in auch kains Rechten gestatnen, in auch kain Recht lassen gan, sonder er wöl si zu Gehorsam bringen und sein Schwert uber si bruchen und ire Weiber und Kinder zu Witwen und Waisen machen, auch ir Spies mussen ir Kierhof und Freythof sein. [ . . . ]



Quelle: Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges, gesammelt und herausgegeben von Günther Franz. Darmstadt: WBG, 1963, S. 25-28.

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