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Fälschung zugunsten territorialer Souveränität – Privilegium Maius (1358/59)

Diese berüchtigte österreichische Fälschung stammt aus dem 14. Jahrhundert, eine Zeit, in der die praktische Übertragung königlicher Herrschaftsgewalt auf die Fürsten ihren Lauf nahm. Sie wurde von Herzog Rudolf IV. von Österreich in Auftrag gegeben und veranschaulicht den Grad von Unabhängigkeit, den die großen Adelsdynastien Europas anstrebten, jedoch noch nicht besaßen. Das gefälschte Dokument gibt vor, ein von Kaiser Friedrich I. Barbarossa erlassener Freiheitsbrief aus dem Jahr 1156 zu sein, der unter anderem die Stellung des Hauses Österreich innerhalb des Reiches aufwertete. Es beschreibt einen Vorgang, der nie stattfand, nämlich die Umwandlung eines kaiserlichen Lehens in ein Erbfürstentum durch die Übertragung königlicher Privilegien auf die Erzherzöge von Österreich. Kaiser Karl IV. (1316-1378) erkannte das Privilegium nicht an, da er dessen Echtheit bezweifelte, der habsburgische Kaiser Friedrich III. (1415-1493) bestätigte es jedoch 1453. Offiziell wurde die Fälschung erst 1852 nachgewiesen, nachdem das Heilige Römische Reich Deutscher Nation bereits aufgelöst war.

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Privilegium Maius


Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit, Friedrich, durch das Walten von Gottes Gnaden Römischer Kaiser, allzeit Mehrer des Reiches. Obgleich ein Wandel bei Dingen schon dank körperlicher Einsetzung rechtskräftig bestehen kann und auch das, was rechtmäßig vorgenommen wird, durch keinen Widerspruch umgestoßen zu werden vermag, muß dennoch, damit es keinerlei Zweifel über eine vorgenommene Handlung geben kann, Unsere kaiserliche Hoheit tätig werden.

Wissen soll daher die gegenwärtige Zeit und künftige Nachkommenschaft aller Getreuen Christi, des Reiches und von Uns, daß Wir unter Mitwirkung der Gnade Dessen, der den Menschen vom Himmel Frieden auf Erden gesandt hat, auf dem allgemeinen Hoftag, der an Mariä Geburt zu Regensburg feierlich begangen wurde, in Gegenwart vieler Geistlicher und Rechtgläubiger Rechtsstreitigkeit und Auseinandersetzung, die zwischen Unserem hochverehrten Oheim Heinrich Herzog von Österreich und Unserem hochgeschätzten Vetter Heinrich Herzog von Sachsen lange um das Herzogtum Bayern und die Mark oberhalb des Flusses Enns ging, in der Weise beigelegt haben, daß der Herzog von Österreich Uns das Herzogtum Bayern aufgelassen hat und die genannte Mark, die er innehatte; nach erfolgter Auflassung haben Wir bald dieses Herzogtum Bayern dem Herzog von Sachsen zu Lehen verliehen; der genannte Herzog von Sachsen aber überließ und gab auf alle Rechte und Ansprüche, die er auf diese Mark hatte, einschließlich aller seiner Rechte und Lehen. Damit aber durch diesen Vorgang Ehre und Würde Unseres hochverehrten Oheims keinesfalls gemindert schiene, haben Wir nach Ratschlag und Beschluß der Fürsten – wobei der erlauchte Herzog von Böhmen Wladislaw den Spruch verkündete, in den alle Fürsten einwilligten –, die Markgrafschaft Österreich und die genannte Mark oberhalb der Enns in ein Herzogtum umgewandelt und dieses Herzogtum mit allen unten aufgeführten Rechten, Privilegien und Gnadenerweisen kraft kaiserlicher Freigebigkeit dem genannten Heinrich, Unserem hochgeliebten Oheim, seiner hochedlen Gemahlin Theodora und deren Kindern verliehen.

Aus einzigartiger Huld, die Wir gegenüber Unserem hochgeliebten Oheim Heinrich von Österreich, seiner hochedlen Gemahlin Theodora und ihren Nachfolgern sowie gegenüber dem Land Österreich hegen, das bekanntlich Schild und Herz des heiligen Römischen Reiches ist, haben Wir mit Rat und Zustimmung der Reichsfürsten den genannten Gatten, ihren Nachfolgern in diesem Herzogtum sowie dem zuvorgenannten Land Österreich die unten aufgeführten Bestimmungen, Verleihungen und Erlaubnisse, die von der kaiserlichen Amtsgewalt zu vollen und ewigen Rechten gemacht wurden, freigebig geschenkt und schenken es kraft gegenwärtigen Schriftstückes.

[1] Erstens also: Der Herzog von Österreich soll – ganz gleich zu welchen Hilfs- und Dienstleistungen er sonstwie gehalten ist – nicht dem heiligen Römischen Reich noch sonstwem gegenüber verpflichtet sein, lediglich mit der Ausnahme, daß er gehalten ist, dem Reich in Ungarn mit zwölf gewappneten Männern für einen Monat auf eigene Kosten Dienst zu leisten zum Beweis für die Tatsache, daß er als Reichsfürst angesehen wird.

[2] Auch braucht er für die Übernahme der Lehen nicht das Reich außerhalb der Grenzen Österreichs aufzufordern oder aufzusuchen, vielmehr sollen ihm seine Lehen durch das Reich im Land Österreich verliehen und gestellt werden. Wenn sie ihm verweigert werden, mag er sie dreimal brieflich vom Reich einfordern und erbitten; danach kann er seine Lehen ohne Beleidigung des Reiches in Besitz behalten, so als ob er sie leiblich empfangen hätte.

[3] Auch ist der Herzog von Österreich nicht gehalten, zu einem vom Reich oder sonstwem gebotenen Hoftag zu erscheinen, es sei denn er täte es von sich aus und aus freiem Willen.

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