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SPD-Vorsitzender Oskar Lafontaine kritisiert die Globalisierung (25. Juni 1997)

Um die öffentliche Meinung gegen den Neoliberalismus zu stimmen, warnt der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine nachdrücklich vor einer Senkung des Lebensstandards durch Einschnitte in das Sozialwesen und Lohnkürzungen im Interesse größerer Wettbewerbsfähigkeit und ruft stattdessen zu einer konzertierten Anstrengung der internationalen Gemeinschaft auf, mit dem Ziel, die Regelstruktur der globalen Wirtschaft zu verbessern.

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Der SPD-Vorsitzende Lafontaine in Berlin über die Globalisierung und den Wirtschaftsstandort Deutschland


Das Tempo, mit dem sich die Wirtschaft in den letzten Jahren verändert und internationalisiert hat, ist so groß, daß darin eine neue Qualität gesehen werden kann. Die Konsequenz davon ist, daß es in der politischen und ökonomischen Diskussion unserer Zeit einen zentralen Begriff gibt, an dem sich viel Phantasie, aber auch viel Streit entzündet. Ich meine den Begriff der Globalisierung. Mit diesem Wort verbinden sich große Hoffnungen, aber auch viele Ängste. Hoffnung auf wachsenden Wohlstand und neue zukunftssichere Arbeitsplätze, zugleich aber auch Angst vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg. [ . . . ] Diese Angst ist verständlich. Dennoch bin ich der Auffassung, daß in der Globalisierung eine große Chance liegt, die es zu nutzen gilt. [ . . . ]

Durch die Internationalisierung der Wirtschaft hat sich die Mobilität von Waren und Dienstleistungen sowie von Wissen und Kapital deutlich erhöht. Globalisierung heißt im Kern nichts anderes als die Herstellung eines umfassenden Weltmarkts. Globalisierte Märkte mit einer weltweiten Mobilität von Waren und Dienstleistungen, von Wissen und Kapital, die zur Folge haben, daß sich der Wettbewerb der Unternehmen immer weiter verschärft. [ . . . ] Hinzu kommt die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien [ . . . ]. Durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien hat sich auch weltweit ein einheitlicher Finanzmarkt herausgebildet, der dem anlagewilligen Kapital keinerlei Schranken mehr auferlegt. Täglich werden zwischen den Börsen der Welt Summen bewegt, die doppelt so hoch sind wie die Währungsreserven aller Zentralbanken. Globalisierung hat den Aktionsrahmen für anlagesuchendes Kapital erweitert. Über die Frage, in welchem Land neue Produktionsanlagen, Forschungseinrichtungen oder Verwaltungszentren angesiedelt werden, entscheidet immer weniger die nationale Herkunft. [ . . . ]

Die politische Frage lautet nun: Ist diese Globalisierung als Chance oder als ein Risiko zu begreifen? Und welche Schlußfolgerung muß die Politik daraus ziehen? [ . . . ] Die weltweite internationale Arbeitsteilung bietet die Chance, den Wohlstand der Völker zu mehren und jedem seinen gerechten Anteil am ökonomischen und technischen Fortschritt zu geben. Ich spreche ausdrücklich von den Chancen der Globalisierung und nicht von der Zwangsläufigkeit oder dem Automatismus. Denn ob die Chancen der Globalisierung tatsächlich genutzt werden und wem sie letztlich zugutekommen, hängt nicht zuletzt auch davon ab, welche Antworten die Wirtschaftspolitik auf diese neuen Entwicklungen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene gibt. Die gegenwärtige Wirtschaftspolitik krankt aber daran, daß ihr der Begriff des Wettbewerbs nicht klar ist. Bei ihrer sogenannten Standortpolitik bringt sie immer wieder den Wettbewerb der Unternehmen und den Wettbewerb der Staaten durcheinander. Die Folgen sind schwerwiegende wirtschaftspolitische Fehler. Um aus der Globalisierung die richtigen Schlußfolgerungen für ein wirtschaftspolitisches Handeln ziehen zu können, müssen diese beiden Formen des Wettbewerbs klar unterschieden werden.

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