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Betty Scholem über den Antisemitismus in Berlin (20. November 1923)

In der krisengeschüttelten Zeit nach dem Ersten Weltkrieg kam es vielerorts in Deutschland zu antisemitischen Übergriffen. Während der Hyperinflation eskalierten diese teilweise zu pogromartigen Unruhen, wie etwa im Oktober 1923 in Beuthen (Oberschlesien) oder im November 1923 im vorwiegend von Ostjuden bewohnten Berliner Scheunenviertel. Auslöser der Unruhen im Scheunenviertel war das Gerücht, Ostjuden hätten gezielt das zur Erwerbslosenfürsorge ausgegebene städtische Notgeld aufgekauft, weswegen die Unterstützungsgelder nicht ausgezahlt werden könnten. Daraufhin zogen Tausende von Erwerbslosen ins Scheunenviertel, wo sie randalierten, Anwohner und Passanten verprügelten sowie Geschäfte und Wohnungen plünderten. Der alarmierten Polizei wurde u.a. vorgeworfen, zu spät eingeschritten zu sein.

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Berlin, 20. 11. 1923

Mein liebes Kind!

[ . . . ] In Berlin waren keine Pogrome. Aber der Antisemitismus hat das Volk so durchsetzt u. verseucht, daß man allenthalben auf die Juden schimpfen hört, ganz öffentlich, in so ungenirter Weise wie nie bisher. [ . . . ]

Kuß Mutt





Quelle: Betty Scholem und Gershom Scholem, Mutter und Sohn im Briefwechsel 1917-1946. Herausgegeben von Itta Shedletzky in Verbindung mit Thomas Sparr. München: Verlag C.H. Beck, 1989, S. 94-96.

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