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NSDAP Bericht über eine Massenversammlung in Berlin (Februar 1927)

Nach ständigen parteiinternen Querelen – insbesondere Streitigkeiten zwischen der Gauleitung und der selbstbewusst agierenden örtlichen SA-Führung – wurde Joseph Goebbels im November 1926 zum Gauleiter der Berliner NSDAP. Sogleich machte er den SA-Führer Kurt Daluege zum stellvertretenden Gauleiter und schlug einen stärker auf Aktion drängenden, offensiven politischen Kurs ein, was den Erwartungen der Berliner SA durchaus entgegenkam. Über Propagandaarbeit – etwa Wahlkampfaktionen und Aufmärsche – und den Schutz parteieigener Veranstaltungen hinaus provozierte die SA auch bewusst politische Gegner und setzte gezielt terroristische Gewalt ein. Letztlich zielte dieses Vorgehen auf die Eroberung des öffentlichen Raumes ab.

Illustriert wird der auf aggressive Provokation und Konfrontation ausgelegte politische „Stil“ von NSDAP und SA durch die folgende Darstellung der Saalschlacht in den „Pharussälen“. Die Pharussäle, gelegen im Berliner Arbeiterviertel Wedding, waren üblicherweise ein Veranstaltungsort der KPD; das Thema der Rede drückte außerdem den Anspruch Goebbels‘ aus, für eine „sozialistische“ Arbeiterpartei zu sprechen, was für KPD-Anhänger zusätzlich provozierend wirken musste.

[Kommentar HS: In der von Broszat herausgegebenen Quelle fehlt der Name Muchows, aber da dieser alle anderen zitierten Berichte vefasst hat, und sich die Diktion nicht von den übrigen bei Broszat dokumentierten NSDAP-Berichten unterscheidet, ist wohl von einer Autorschaft Muchows auszugehen]

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Am 11. ds. Mts. veranstaltete die Partei im ausgesprochenen Arbeiterviertel Wedding in den „Pharussälen“ eine öffentliche Massenversammlung mit dem Thema: „Der Zusammenbruch des bürgerlichen Klassenstaates“. Redner war Pg. Dr. Goebbels. Es war uns ohne weiteres klar, was das bedeutete. Es galt den sichtbaren Beweis zu erbringen, dass der Nationalsozialismus fest gewillt ist, mit aller Macht an die Arbeiterschaft heranzukommen. Bereits einmal gelang es uns, im Stadtteil Wedding Fuß zu fassen. Der Andrang zur Versammlung war gewaltig. Mehr als 1000 Personen füllten den Saal, der politisch zusammengesetzt war aus 4/5 S.A. und 1/5 K.P.D. Letztere hatte jedoch ihre Hauptmacht auf der Strasse zusammengezogen. Als die Versammlung durch den S.A.-Führer, Pg. Daluege, eröffnet wurde, erfolgten programmässig die auf Provokation abgezielten „Zur Geschäftsordnung!“-Rufe. Als der anwesenden K.P.D. erklärt wurde, daß die Geschäftsordnung nicht sie, sondern wir führen und ihnen nach dem Referat Pg. Dr. Goebbels eine Diskussion freisteht, entstanden die ersten Plänkeleien. Es trat jedoch wieder eine scheinbare Ruhe ein, bis erneute lärmende Zwischenrufe ertönten. Auf die Mitteilung des Versammlungsleiters, daß er die Ruhestörer im Wiederholungsfalle aus dem Saale weisen würde, wurde die K.P.D. von einer künstlichen Erregung befallen. Mittlerweile hatte die S.A. den Unruheherd langsam eingeschlossen und die Kommunisten, die Gefahr bemerkend, begannen plötzlich tätlich zu werden. Das Nachfolgende spielte sich innerhalb 3–4 Minuten ab. Im Nu wurden von beiden Seiten Stühle, Biergläser, selbst Tische, erhoben und ein wilder Kampf begann. Mehr und mehr wurden die Kommunisten unter die Galerie gedrängt, die wohlweislich von uns besetzt war, und bald sausten von dieser ebenfalls Stühle und Gläser herab. Die Schlacht war schnell entschieden: die K.P.D. zog mit 83 mehr oder minder schwer Verletzten ab, d. h. sie konnte garnicht so schnell die Treppen heruntersteigen, wie sie gemütlich und „harmlos“ heraufgestiegen war. Auf unserer Seite hatten wir 3 Schwerverletzte und ca. 10–12 Leichtverletzte zu beklagen. Als die Polizei erschien, war der Kampf bereits abgewickelt. Der marxistische Terror war blutig unterdrückt worden. [ . . . ]



Quelle: Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei, Ortsgr. Berlin – Sektion Neukölln (Propaganda Zelle), Situations-Bericht (Februar 1927), „Allgemeine politische Lage in Berlin und der Kampf der N.S.D.A.P.“; abgedruckt in Martin Broszat, „Die Anfänge der Berliner NSDAP 1926-27“, in Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 8 (1960), S. 110-12.

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