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Der Wahlausgang vom September 2005 (19. September 2005)

Der knappe Ausgang der Bundestagswahl vom September 2005 überrascht die Demoskopen, die eine Mehrheit für eine Koalition von CDU/CSU und FDP vorausgesagt hatten. Der Chef eines der großen Umfrageinstitute, Forsa, analysiert hier das Ergebnis, wobei er vor allem auf den Stimmenverlust der beiden großen Parteien, CDU/CSU und SPD, eingeht.

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Weiterer Bedeutungsverlust für die beiden großen Parteien; Forsa-Analyse der Bundestagswahl vom Sonntag



Der Chef des Berliner Forsa-Instituts, Manfred Güllner, hat für die Nachrichtenagentur AP das Ergebnis der Bundestagswahl vom Sonntag analysiert. Nachstehend sein Beitrag im Wortlaut:

»Das Ergebnis der Bundestagswahl vom Sonntag ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg des seit Jahren zu beobachtenden Bedeutungsverlustes der Großparteien: Nur noch 53 von 100 Wahlberechtigten gaben SPD und Union ihre Stimme; fast ebenso viele (47 Prozent der Wahlberechtigten) wählten gar nicht oder eine der kleineren Parteien. Nur bei der ersten Bundestagswahl 1949, als sich das demokratische Parteiensystem in Deutschland nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes noch nicht herausgebildet hatte, war die Vertrauensbasis der beiden großen Parteien geringer.

Doch schon 1953 wählten 62 von 100 Wahlberechtigten die Sozial- oder Christdemokraten. Dieser Anteil kletterte bei den Bundestagswahlen in den 70er Jahren auf 82 Prozent aller Wahlberechtigten. Seither sank der Anteil der Wahlberechtigten, die einer der beiden Volksparteien ihre Stimme gaben, wieder. So wählten bei der Bundestagswahl 1987 nur noch 68 von 100 Wahlberechtigten die Union oder die SPD. Seit der ersten gesamtdeutschen Wahl 1990 pendelte der Anteil dann nur noch um die 60-Prozent-Marke, um 2005 auf den bisherigen Tiefstwert zu fallen.

Dabei kam der SPD-Vertrauensverlust (nur 26 von 100 Wahlberechtigten haben am Sonntag die SPD gewählt, noch geringer war das Vertrauen zu den Sozialdemokraten nur bei der Bundestagswahl 1953 und bei der ersten gesamtdeutschen Wahl 1990 mit Oskar Lafontaine als Kanzlerkandidat) nicht überraschend. Zu tief war die Enttäuschung vieler früherer SPD-Wähler darüber, dass ihre Partei den Erneuerungskurs von Kanzler Gerhard Schröder nicht in ausreichendem Maße unterstützt hatte und Schröder wegen dieses mangelnden Vertrauens seiner Partei gezwungen war, Neuwahlen herbeizuführen.

Noch im Juli wollten nur rund zwölf Millionen Wahlberechtigte SPD wählen. Im Verlauf des Wahlkampfes gelang es der SPD zwar, wie Forsa-Untersuchungen mit Hilfe eines neuen, internetbasierten Erhebungsverfahrens für N-TV und die Welt am Sonntag ermitteln konnten, 3,9 Millionen bis dahin im Lager der Unentschlossenen verharrende Wähler von 2002 wieder zu gewinnen. Doch mit 16,1 Millionen Stimmen lag die SPD deutlich unter ihrem Wähleranteil von 2002 und erst recht dem von 1998: Im Vergleich zur letzten Bundestagswahl 2002 verlor die SPD mehr als jeden zehnten, im Vergleich zur Wahl 1998 sogar jeden fünften Wähler.

Während der Vertrauensverlust der SPD vorhersehbar war, kam der der Union überraschend, zumal auch die Wahlforschungsinstitute in den Umfragen vor der Wahl diesen Vertrauensschwund nicht vorhergesehen hatten. Die Union wurde nur noch von 27 von 100 Wahlberechtigten gewählt. Dies bedeutet einen Wählerschwund von elf Prozent im Vergleich zur letzten Bundestagswahl 2002 und einen Verlust von fast sechs Prozent im Vergleich zur vorletzten Wahl 1998. Angela Merkel hat also der Union weniger Stimmen eingebracht als Helmut Kohl bei seiner letzten Wahl als Kanzlerkandidat. Im Vergleich zur ersten Helmut-Kohl-Wahl nach dem Machtwechsel 1982 am 6. März 1983, als die Union von 43 von 100 Wahlberechtigten gewählt wurde, schrumpfte die Wählerbasis von CDU und CSU sogar um fast 38 Prozent.

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