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Die königliche Krönung Maximilians (9. April 1486)

Im Jahr 1486 wurde der einzige Sohn Kaiser Friedrichs III. (Regierungszeit 1440-93), Erzherzog Maximilian, zum römisch-deutschen König und Nachfolger seines Vaters als Kaiser gewählt. Die Krönung fand im April 1486 in Frankfurt am Main statt. Der folgende Bericht wurde von einem anonymen Beobachter auf Latein verfasst. Zeremonielle Rituale waren äußerst konservativ, und während bedeutender Anlässe dieser Art präsentierte sich das Heilige Römische Reich in seiner traditionellsten Gestalt. Sämtliche Handlungsträger hatten festgelegte Positionen und Aufgaben, und das Religiöse und das Politische waren in der Zeremonie untrennbar miteinander verbunden. Im Gegensatz zu seinem Vater wurde Maximilian I (reg. 1486/93-1519) nie vom Papst zum Kaiser gekrönt; stattdessen krönte er sich 1507 in der Kathedrale von Trient selbst zum Kaiser.

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[ . . . ] Am 9. April morgens um die dritte Stunde wurde vor dem Hause des Königs ein ganzer Ochse im Wert von sieben Gulden zum Braten hergerichtet; im Ochsen wurde ein Schwein und im Schwein eine Gans und eine Henne mitgebraten, wie dies bei der Krönung eines Römischen Königs Brauch und Sitte ist. Nachher kam zur angesetzten Stunde ein Stellvertreter des Königs, der ein gutes Stück des gebratenen Ochsen für den König abschnitt. Daraufhin drängten alle Leute beiderlei Geschlechtes heran und zerteilten den gebratenen Ochsen mit Schwertern und Keulen, wobei sich jeder nahm, was möglich war. Mittlerweile erschien Bischof Johann von Horn von Lüttich mit mehr als 200 wohlausgerüsteten Reitern in guter Ordnung, alle in der Kleidung der Hofleute des Königs. Vor dem Palast des Römischen Königs war ein eherner Brunnen errichtet mit einem schwarzen Adler, der das Wappen des Römischen Königs hielt, aus dessen Brust Rheinwein floß. Rechts vom Adler war ein goldener Löwe mit dem Banner und dem Wappen von Brabant; aus diesem Löwen floß auch Rheinwein. Links vom Adler war ein schwarzer Löwe mit dem Wappen von Flandern, aus dem ebenfalls Rheinwein floß. Dort war ein schreckliches Gedränge von armen Leuten und allerlei anderem Volk. Um die sechste Morgenstunde kamen die kaiserliche Majestät, der Kurfürst Pfalzgraf [Philipp] bei Rhein, Kurfürst Herzog Ernst von Sachsen, der Herzog [Adolf] von Kleve, Herzog Albrecht von Sachsen und der Herzog [Wilhelm] von Jülich zum Römischen König. Dort zogen sich die beiden Kurfürsten an, wie es ihrer kurfürstlichen Würde zukam, und zogen dann in folgender Ordnung zur Kirche: Der Adel ging voran; es folgten die Bischöfe, nach ihnen Herzog Albrecht von Sachsen, der Herzog von Jülich, der Herr von Kleve, der einen sehr kostbaren Armreifen mit Perlen trug und auf seinem Hut ein Kleinod, das mit Perlen und kostbaren Steinen geschmückt war. Am Schluß kam die kaiserliche Majestät in goldenem Gewand mit einer sehr wertvollen Kette, welche rundum plastisch gearbeitet war, woran ein kostbares Kreuz hing. Zur rechten Seite des Kaisers ging sein Sohn Maximilian, der Römische König, mit einem goldenen Mantel, der mit Hermelin besetzt war und über die Schultern seiner Hoheit bis zu den Ellenbogen herabhing und dessen vordere Schließe mit Perlen und kostbaren Steinen besetzt war; auf dem Haupt trug er einen goldenen Hut, der nach italienischer Art ähnlich mit Hermelin besetzt war. Links vom Kaiser ging Kurfürst Herzog Ernst von Sachsen mit ähnlichem Mantel und Gewand aus rotem Samt, einem großen hohen scharlachroten Hut, ebenfalls mit Hermelin besetzt. Kurfürst Pfalzgraf Philipp bei Rhein ging zur rechten Seite des Römischen Königs auf ähnliche Weise gekleidet und mit rotem Samthut. So betraten sie zugleich die Kirche. Am Umgang der Kirche kamen ihnen die geistlichen Kurfürsten entgegen; und zwar die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier in ihren Pontifikalgewändern, mit Mitra, Kreuz und Bischofstäben, auch der Klerus mit Kreuz, Weihrauchfaß und Evangelienbuch; außerdem andere Prälaten, Bischöfe und Äbte in ihren Pontifikalgewändern, um die Fürsten zu empfangen. Beim Empfang sprach der Erzbischof von Köln, der den Gottesdienst feiern sollte, ein Gebet [ . . . ]. Nach diesem Gebet nahmen die Erzbischöfe von Mainz und Trier den Römischen König in ihre Mitte und führten ihn in die Kirche. Der Erzbischof von Köln schritt voran, ihm folgte die Prozession und man sang eine Antiphon [ . . . ]. Nachdem sie vollendet war, warf sich der König vor den Stufen des Altars in ganzer Länge auf den Boden, und der Erzbischof von Köln las über den also Liegenden Gebete [ . . . ]. Hierauf nahm der König auf einem schön geschmückten Betstuhl vor dem Marienaltar Platz, und etwas dahinter auf einer kleinen Sitzbank saß rechts vom König der Erzbischof von Mainz, links der Erzbischof von Trier; hinter ihnen standen der Erzbischof von Gran, der Herzog von Jülich, Herzog Albrecht von Sachsen, der Herzog von Kleve und Herzog Kaspar von Bayern und Graf in Veldenz. Zur Rechten des Altars saß die kaiserliche Majestät auf einem reichgeschmückten Thron, zu dem drei Stufen emporführten. Links von ihm waren Kurfürst Pfalzgraf Philipp bei Rhein und Kurfürst Herzog Ernst von Sachsen. Dann begann der feierliche Gottesdienst von der Erscheinung des Herrn mit einer Sequenz [ . . . ], die im gregorianischen Choral gesungen wurde. Nach der Sequenz erhoben sich der Mainzer und der Trierer und nahmen dem König das Oberkleid ab. Inmitten der beiden ging er im goldenen Gewand vor den Altar, wo er sich in Form eines Kreuzes niederwarf. Von zwei Klerikern wurde die Litanei gesungen; hierauf erhob sich der Erzbischof von Köln und sprach mit dem Stab in der Hand die Gebete [ . . . ], worauf die Kleriker antworteten. Nach der Litanei erhob sich der König, und der Erzbischof von Köln, der mit dem Hirtenstab in der Hand vor dem Altar stand, richtete an den König folgende sechs Fragen: „Willst du den überlieferten katholischen Glauben bewahren und mit gerechten Mitteln schützen? Willst du der heiligen Kirche und ihren Dienern ein getreuer Beschützer und Verteidiger sein? Willst du das Reich, das Gott dir anvertraut hat, nach der Gerechtigkeit deiner Vorgänger regieren und wirksam verteidigen? Willst du die Rechte des Reiches und des Kaisertums wahren und deren zu Unrecht verlorengegangene Güter zurückgewinnen und getreulich dem Nutzen des Reiches und des Imperiums überlassen? Willst du Armen und Reichen, Witwen und Waisen ein gerechter Richter und ein rechtschaffener Verteidiger sein? Willst du dem allerheiligsten Vater und Herrn, dem Römischen Papst, und der heiligen Römischen Kirche in Ehrfurcht schuldigen Gehorsam und Treue erweisen?“ Auf alle Fragen antwortete der König: „Ich will.“ Hierauf wurde der König durch die Erzbischöfe von Mainz und Trier an den Altar geführt. Er legte die zwei Finger seiner rechten Hand auf den Altar und sprach: „Mit Hilfe Gottes und unterstützt von den Gebeten der Christgläubigen will ich, soweit ich kann, alles getreu halten, so wahr mir Gott helfe und alle seine Heiligen.“ Hierauf wurde er durch die genannten Erzbischöfe wieder an seinen Platz vor dem Altar zurückgeführt, und der Erzbischof von Köln, mit dem Hirtenstab in der Hand vor dem Altar stehend, fragte die umstehenden deutschen Fürsten, den Klerus und das Volk: „Wollt ihr euch diesem Fürsten und Regenten unterwerfen, seine Herrschaft stärken, durch Treue festigen und seinen Befehlen gehorchen, entsprechend dem Wort des Apostels, daß jede Seele den höheren Gewalten untertan sein soll, wie etwa einem so hervorragenden König?“ Auf diese Frage antworteten die Herren von Mainz und Trier, die deutschen Fürsten, der Klerus und das Volk und riefen dreimal: „So soll es geschehen!“ Hierauf führten sie den König vor den Altar, wo er sich der Länge nach auf die Erde warf, und der Erzbischof von Köln über ihn Segensgebete sprach [ . . . ].

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